Mittwoch, 27. Mai 2020

Noch mehr über die Bild-Drosten-Debatte und den Unterschied zwischen Wissenschaft und Journalismus

Es gibt in der Wissenschaft keine endgültigen Wahrheiten, sondern nur fortlaufende Erkenntnisprozesse

Mit dem Fach Wissenschaftkritik bin ich schon als Abiturientin und auch später im Studium selbstverständlich konfrontiert worden.

Ich finde, der Mann hat recht. Auch wenn er jetzt so bekannt ist, weil unsere Regierung ihre Entscheidungen oft damit begründet, wie weit er im Austausch ja mit weltweit forschenden anderen Experten in Sachen Coronavirus ist, so ist es dennoch nicht er, der diese Entscheidungen trifft, diese Regeln oder sogar Geldstrafen festlegt, sondern er sagt nur fortlaufend, wie der Stand der Dinge ist und natürlich sagt der Mann auch immer wieder, die Forschungen laufen weiter und man weiß sehr viel bisher doch gar nicht.

Dann geht es eben um den Austausch in der Wissenschaft. Wenn ein anderer Wissenschaftler was anderes sagt, dient das dem Austausch und ist weder Kritik noch Gegenwehr oder so .. sondern ein gemeinsames Herausfinden, was weltweit inzwischen an Erkenntnissen gewonnen wurde.

Wenn unsere Regierung übers Ziel hinausschießt .. auch wenn unsere Regierung, was trotz ja momentan in meinen Augen durchaus schneller Anpassung .. dennoch weit hinter den immer wieder neuen Erkenntnissen der Wissenschaft weit zurückliegt und manche Regeln vielleicht schon beim Rauskommen gar keinen Sinn mehr machen, weil die Erkenntnisse, die dazu geführt haben, längst überholt sind .. das ist nicht die Schuld dieses Wissenschaftlers beziehungsweise des Instituts, für das er arbeitet.

Dass die Menschen wissen wollen, was los ist, ist verständlich.

Dass die Presse versucht, die Menschen so gut wie möglich zu informieren, ist auch verständlich.

Und was ich über meinen Job als Texterin leider auch weiß .. die meisten Menschen wollen sich keine komplizierten Zusammenhänge durchlesen, die wollen etwas serviert bekommen, was für sie leicht zu verstehen und auch klar ist.

Die wollen feststehende Ergebnisse und keine Erkenntnisse, die sich laufend weiterentwickeln.

Weil die wollen wissen, woran sie eigentlich sind.

Wenn da was schief läuft, ist es also nicht die Schuld der Wissenschaft, es ist schon eher die Schuld von oft viel zu rigiden Entscheidungen unserer Politiker, die dazu noch von Bundesland zu Bundesland anders ausfallen können, sogar bis hin zu drastischen Strafen auf Dingen, die allenfalls vielleicht richtig sind und auf ganz dünnem Eis aufgebaut sind, und das alles ohne die nötige Transparenz.

Das ging mal harmlos los und die meisten Menschen haben es verstanden und versucht, sich dran zu halten, hat aber inzwischen Stilblüten getrieben, die kaum noch nachzuvollziehen sind, die Menschen schwer belasten und teils auch wütend machen.

Natürlich hat die Presse das Recht, auch dem Rechnung zu tragen, sogar die Pflicht.

Ich finde aber schon, dass die Presse das nicht auf dem Rücken des wissenschaftlichen Instituts tun sollte, das momentan wirklich alles tut, um die Erkenntnisse so aktuell wie nur machbar weiterzuentwickeln, die weltweit in Sachen Coronavirus zusammenkommen.

Nun unten noch ein Text, den ich dazu gefunden habe und ich zitiere da auch wieder, was drin steht.
https://www.gmx.net/magazine/news/coronavirus/coronakrise-christian-drosten-studie-bild-wissenschaft-journalismus-schwer-kompatibel-34737474
...


Wegen SARS-CoV-2 kommt es zu einer harten Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftlern und Journalisten: Der Virologe Christian Drosten wurde von der "Bild" wegen einer Corona-Studie angegriffen, er wehrt sich im "Spiegel" dagegen. Reden Journalisten und Wissenschaftler aneinander vorbei, weil sie verschiedene Sprachen sprechen?

 Die "Bild"-Zeitung hatte den Berliner Charité-Chef Christian Drosten am Montag mit dem Satz attackiert, seine aktuelle Coro­na-Studie sei "grob falsch". Drosten wehrte sich tags darauf im "Spiegel", wo auch Kollegen für ihn Partei ergriffen. Auch Ex-"Bild"-Chef Georg Streiter ging auf Facebook hart mit seinen Kollegen ins Gericht, bezeichnete deren Methoden als "niederträchtig".


Wir haben mit dem Kommunikationswissenschaftler Joachim Trebbe über die Verständigungsprobleme zwischen Wissenschaft und Journalismus gesprochen.
In der Auseinandersetzung zwischen der "Bild"-Zeitung und dem Virologen Christian Drosten scheinen Journalisten und Wissenschaftler verschiedene Sprachen zu sprechen.
Joachim Trebbe: Die Systeme Wissenschaft und Journalismus sind tatsächlich nicht unbedingt kompatibel. Das hat sich schon bei früheren Kontroversen gezeigt, an denen Christian Drosten beteiligt war.

Journalismus vs. Wissenschaft: Unterschiedliche Methoden

Wieso verstehen sich diese beiden Systeme nicht?

 Vor allem wegen der unterschiedlichen Herangehensweisen. Kritischer Journalismus versucht, verschiedene Interessen und Ziele in der Gesellschaft gegeneinander zu stellen, um aufzuzeigen, wo genau die Kontroversen liegen.


Das ergibt ja durchaus Sinn ...
... aber auch die Vorgehensweise der Wissenschaft ist sinnvoll. Hier gibt es einen anderen Begriff von Kontroverse im Sinne einer gemeinsamen Suche nach Ergebnissen.
Im konkreten Fall handelte es sich um eine Studie über Kinder. Drosten geht offenbar davon aus, dass Kinder genauso das Virus übertragen können wie Erwachsene.

Wo liegt die Wahrheit? Kontroverse gehört zum Erkenntnisprozess

Das haben andere Wissenschaftler kritisiert.
Ja, weil sie eine Diskussion eröffnen wollten. In der Wissenschaft hat Kritik einen anderen Stellenwert als im Journalismus. 


Wissenschaftler wollen durch gegenseitiges Kritisieren und Verwerfen zu Hinweisen kommen, wo die Wahrheit liegt. Innerwissenschaftliche Kontroverse gehört auch in der Medizin zum Erkenntnisprozess.

Aber die Öffentlichkeit will über die Ergebnisse informiert werden.
Christian Drosten arbeitet genau an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Er soll Politik und Öffentlichkeit beraten, doch was er mitteilt, hat gesellschaftliche Auswirkungen, für die er nicht Experte ist, die er gar nicht abschätzen kann. 


Und er hat einen Status großer Wichtigkeit erhalten, mit dem umzugehen man erst lernen muss. Es gibt jeden Tag neue Studien, neue Tests, neue Ergebnisse. Der Takt des Beurteilens und Kritisierens in der Öffentlichkeit ist sehr schnell, Sichtweisen und Tatsachen werden dabei oft aus dem Zusammenhang gerissen.

Es kommt zum Missverständnis mit dem Leser

Die Öffentlichkeit will schnell informiert werden. Ist das falsch?
Nein, aber es kommt dabei zu Missverständnissen. Das hat sich schon gezeigt, als Institute ihre Berechnungsgrundlagen für die Zählung der Corona-Infizierten geändert haben.
Viele haben das als "Schuldeingeständnis" verstanden – als ob man vorher etwas falsch gemacht habe. Dieser Gedanke entsteht wohl auch deshalb, weil wir derzeit viel mit "Fake News" zu tun haben.


Auch die Wissenschaft kann Fake News produzieren.
In der Wissenschaft ist die Einstellung überholt, dass es Ergebnisse gibt, die für immer und ewig gelten. Oft ändern sich die Fakten oft schon dadurch, dass sie beobachtet werden. Winzige Veränderungen im Versuchsaufbau verändern die Ergebnisse.
Entsprechend vorsichtig muss man diese Ergebnisse werten. Zu sagen: "Hier haben wir ein genaues Ergebnis und das gilt für immer" – diese Einstellung ist überholt. Aber Zwischenergebnisse müssen, wie im Fall von Drostens Studie, veröffentlicht und diskutiert werden. Das ist dem Publikum manchmal sehr schwer zu vermitteln.
...
LG
Renate

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