Seine Vorstellung von Rot-Rot-Grün nach dem Ende der Corona-Krise
Gregor Gysi ist wieder da. Eigentlich wollte er das Alter genießen, aber hält es wohl für notwendig, jetzt doch noch einmal aktiv zu werden.
Das unten ist ein Interview, das um die Frage geht, was Gregor Gysi denkt, wie es nach der Coronakrise weitergehen könnte.
Ich ziehe nur ein paar Zitate raus. Das ganze Interview ist zwei Seiten lang .. der erste Link führt zu Seite 1.
Das unten ist ein Interview, das um die Frage geht, was Gregor Gysi denkt, wie es nach der Coronakrise weitergehen könnte.
Ich ziehe nur ein paar Zitate raus. Das ganze Interview ist zwei Seiten lang .. der erste Link führt zu Seite 1.
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17. Mai 2020, 10:09 Uhr
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17. Mai 2020, 10:09 Uhr
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Gregor Gysi war
Vorsitzender der SED-Nachfolgepartei PDS, aus der später die heutige
Linkspartei hervorging. Insgesamt zwölf Jahre lang war der frühere
DDR-Anwalt Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Bundestag, bevor er
das Amt 2015 aufgab. Vor zwei Wochen gab es ein kleines Comeback: Gysi
wurde zum außenpolitischen Sprecher seiner Fraktion gewählt.
ZEIT ONLINE: Herr
Gysi, in Ihrer Autobiografie haben Sie vor drei Jahren angekündigt, Sie
wollten das Alter genießen. Jetzt sind Sie mit 72 Jahren zum
außenpolitischen Sprecher der Linksfraktion gewählt worden. Ist das ein
Genuss?
Gregor Gysi: Nein,
das ist kein Genuss, Außenpolitik ist ein schwieriger Bereich in
unserer Fraktion. Aber auch bisher hatte ich kein klassisches
Rentnerleben. Ich hatte zwar im Bundestag kaum besondere Aufgaben, aber
gut zu tun als Autor, Moderator und Rechtsanwalt. Ich hatte Angst davor,
abends allein zu Hause zu sein. Als Corona mich dazu zwang, habe ich
gemerkt: Das ist gar nicht so schlimm.
ZEIT ONLINE: Trotzdem
lassen Sie sich jetzt noch mal in die Pflicht nehmen. Fehlt es nach dem
Rückzug von Sahra Wagenknecht bei den Linken einfach an prominenten
Gesichtern?
Gysi: Das fragen Sie mal andere. Aber es freut mich
natürlich, wenn ich mit meiner in Jahrzehnten erarbeiteten Bekanntheit
Interesse für politische Themen wecken kann. Meine erste Rede in dieser
Funktion habe ich zu dem Vorschlag von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer gehalten,
für 18,5 Milliarden Euro Kriegsflugzeuge zu kaufen – und das in
Corona-Zeiten. Diese Rede wurde auf Facebook 1,4 Millionen Mal
aufgerufen.
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ZEIT ONLINE: Vor
der Corona-Krise gab es für Rot-Rot-Grün erstmals wieder eine Mehrheit
in den Umfragen. Sollte es diese auch nach der Bundestagswahl geben:
Sind die Chancen, dass es dann auch tatsächlich zur Bildung eines
solchen Bündnisses kommt jetzt größer als in früheren Jahren?
Gysi: Wenn
es diese Option gibt, wird die SPD nicht an ihr vorbeikommen. Bei den
Grünen bin ich mir da nicht so sicher. Das kann auch davon abhängen, ob
sie in einem solchen Bündnis den Kanzler stellen könnten. Entscheidend
ist: Es muss eine Wechselstimmung in der Bevölkerung geben. Menschen,
die sagen: So geht es nicht weiter: Bei der Ost-West-Angleichung der
Renten, der Gleichstellung der Geschlechter, der Rente, den Kitas.
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ZEIT ONLINE: Wie sieht es mit dem von den Linken geforderten Verbot für Waffenexporte aus?
Gysi: Ein
Komplettverbot wäre mit SPD und Grünen wohl nicht umsetzbar. Aber es
wäre ja schon ein Riesenfortschritt, wenn wir wenigstens den Export an
Krieg führende Staaten und Diktaturen unterbänden. Grundsätzlich gilt:
Wer nicht kompromissfähig ist, ist nicht demokratiefähig. Aber
entscheidend ist, dass in einer Koalition alle Schritte aus unserer
Sicht in die richtige Richtung gingen. Sie könnten aber kürzer sein.
ZEIT ONLINE: Ein anderes schwieriges Thema ist das Verhältnis zu Russland.
Gysi: Da
gibt es zum Glück in der Sozialdemokratie, etwas weniger bei den
Grünen, aber auch bei den Konservativen immer mehr, die unsere Thesen
teilen. Natürlich war die Annexion der Krim ebenso
völkerrechtswidrig wie die Lostrennung des Kosovo. Beides verstieß
gegen völkerrechtliche Verträge. Aber Sicherheit und Frieden in Europa
gibt es niemals ohne Russland. Deshalb brauchen wir ein anderes
Verhältnis zu Russland. Die Sanktionen müssen aufgehoben werden.
ZEIT ONLINE: Das heißt, der Westen soll die Annexion der Krim einfach hinnehmen und zur Tagesordnung übergehen?
Gysi: Man
muss es nicht anerkennen, aber lernen, damit zu leben. Die USA haben
die Zugehörigkeit der drei baltischen Republiken zur Sowjetunion nie
anerkannt und trotzdem ihre Beziehungen zu diesem Land ausgebaut. Auch
beim Kosovo finden sich immer mehr damit ab.
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ZEIT ONLINE: Liegen
die größten Schwierigkeiten für eine rot-rot-grüne Regierung wirklich
auf außenpolitischem Gebiet oder sehen Sie da auch noch andere Themen?
Gysi: Steuergerechtigkeit
ist mit der SPD ebenfalls nur schwer zu erreichen. In Deutschland zahlt
der Mittelstand die meisten Steuern, nicht die Konzerne. Das muss sich
ändern. Wenn die Linke die Gesellschaft verändern will, braucht sie ein
ehrliches Bündnis mit der Mitte. Und die Mitte muss begreifen, dass sie
auch ein Bündnis mit der Linken braucht, um Gerechtigkeit gegenüber den
Konzernen herzustellen. Leider sind wohl beide Seiten noch nicht soweit.
Übrigens mussten Spitzenverdiener schon unter Helmut Kohl 53 Prozent
Steuern zahlen. Und Kohl war kein Linksextremist.
ZEIT ONLINE: Sie haben mal gesagt, ein Problem der Linkspartei
sei, dass sie nicht mehr als Protestpartei wahrgenommen wird. Ist es da
klug, dass die Linke auch in der Corona-Krise die Beschlüsse der
Bundesregierung weitgehend mitgetragen hat?
Gysi: Das
war am Anfang kein Problem, weil 95 Prozent der Bevölkerung die
Beschlüsse richtig fanden. Ich sage aber auch immer: Corona ist nicht
die Pest und nicht die Cholera. Man muss das Maß wahren. Jetzt, wo die
Schutzmaßnahmen gelockert werden, müssen wir als Linke uns darauf
konzentrieren, Chancengleichheit einzufordern. Da herrscht im Moment zu
viel Willkür.
ZEIT ONLINE: Einige
Entscheidungen müssten Ihnen doch gut gefallen: Die Aussetzung der
Schuldenbremse etwa. Hoffen Sie darauf, dass solche Maßnahmen von Dauer
sein werden?
Gysi:
Im Gegenteil. Meine feste Überzeugung ist: Alles was in der Not
beschlossen wurde, muss wieder aufgehoben werden. Das gilt auch für die
Aussetzung der Schuldenbremse, obwohl ich immer ein Gegner der schwarzen
Null war und bin. Sonst könnten andere auch darauf drängen, etwa die
Einschränkungen der Freiheitsrechte beizubehalten. Wir haben das schon
einmal im Kampf gegen die RAF erlebt: Von den Änderungen – etwa an der
Strafprozessordnung – wurde hinterher fast nichts zurückgenommen.
Deswegen ist es sehr wichtig, dass der Ausnahmecharakter der
Einschränkungen deutlich wird. Wir müssen alle Corona-Beschlüsse
zurücknehmen und dann können wir in einem demokratischen Prozess darüber
diskutieren, was wir davon auch künftig wollen, zum Beispiel keine
schwarze Null.
ZEIT ONLINE: Was soll bleiben nach Corona?
Gysi: Ich
hoffe, dass sich der Neoliberalismus durch die Corona-Krise überlebt.
Neoliberalismus bedeutet: Nur Effizienz und Flexibilität zählen. Ich
glaube, jetzt hat doch eine Mehrheit begriffen, dass ein Krankenhaus in
erster Linie für Gesundheit zu sorgen hat und nicht in erster Linie
profitabel sein muss. Die gesamte öffentliche Daseinsvorsorge –
Gesundheit, Bildung, Wasser- und Energieversorgung, auch Teile von Kunst
und Kultur – rechnet sich nie. Außerdem wird jetzt deutlich: Der
Rückzug des Staates aus vielen Bereichen kann zu einer Katastrophe
führen. Dass die FDP nun den Föderalismus infrage stellt, finde ich
dagegen mehr als bedenklich.
ZEIT ONLINE: Ist es nicht auch im Sinne der Linken, wenn der Staat sich nun an großen Konzernen beteiligt, wie es in der Krise möglich wurde?
Gysi: Entscheidend
ist: Wenn wir einem großen Unternehmen helfen, dann immer unter der
Bedingung, dass wir am Gewinn beteiligt werden. Der frühere
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, bekanntlich kein Linker,
hat mir mal gesagt: "Ich verstehe Ihre Regierung nicht. Immer wenn ich
den Banken als Ministerpräsident von Luxemburg geholfen habe, war mein
Land jahrelang am Gewinn beteiligt." Aber Union und SPD denken, dass
wäre Staatssozialismus. Die Commerzbank etwa hat sehr viel Geld in der
Finanzkrise vom Bund bekommen – und dann auch noch Wege zur
Steuervermeidung gesucht und gefunden! Das ist der Gipfel der Frechheit
und darf nicht mehr passieren.
ZEIT ONLINE: Wie viel Sorgen machen Ihnen die Proteste gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen?
Gysi:
Das macht mir große Sorgen. Der Corona-Protest zeigt den schweren
Vertrauensverlust in die Politik. Man kann ja immer sagen, das sind
alles Verschwörungstheoretiker – aber warum werden es immer mehr? Weil
die etablierte Politik nicht ehrlich handelt. Entweder werden falsche
Motive angegeben oder Alternativen verschwiegen. Etwa bei der Rente: Da
wird gesagt, das Rentenniveau muss sinken, weil es sonst nicht mehr
bezahlbar ist. Warum wird nicht gesagt, dass es auch die Möglichkeit
gibt, alle in die Rentenversicherung einzahlen zu lassen, dass man das
aber aus bestimmten Gründen ablehnt? Politiker müssen deutlich machen:
Es gibt nicht nur richtig oder falsch. Sie stehen immer vor
Abwägungsprozessen, die müssen sie in einer verständlichen Sprache
erklären.
ZEIT ONLINE: Wie hätte das in der Corona-Krise aussehen können?
Gysi:
Ich hätte ein Expertengremium aus unterschiedlich argumentierenden
Virologen gebildet. Jedes Mal hätte ein anderer Virologe mitteilen
dürfen, worauf sie sich verständigt haben. Und wenn sie sich nicht
hätten verständigen können, hätten sie das erklären müssen. Die
Regierung hätte so ihr Verhalten besser erläutern können. Es ist nicht
gut, als Regierung immer denselben Virologen an die Seite zu nehmen.
ZEIT ONLINE: Gibt es einen Unterschied zwischen Ost und West, was die Bereitschaft betrifft, die Corona-Einschränkungen zu akzeptieren?
Gysi:
In der DDR wusste man, dass in den Zeitungen des Öfteren nicht die
Wahrheit steht. Das erwartete auch keiner. Mit der Wende aber kam die
Pressefreiheit. Wenn Widersprüche unaufgeklärt bleiben, zieht das
Enttäuschungen nach sich: Die Menschen zweifeln dann die Freiheit der
Presse an. Hinzu kommt: Im Osten gibt es zum Teil einen Glauben an die
Effizienz des Autoritären. Deswegen fremdeln manche mit langen
demokratischen Entscheidungsfindungsprozessen. Nur, im Westen nimmt ein
solches Denken auch zu.
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So .. das ist nicht das ganze Interview, aber was Gregor Gysi zum Thema Coronakrise gesagt hat gegen Ende, habe ich doch alles hierher übernommen, fand das sehr wichtig.
Das ganze Interview könnt Ihr in den beiden gesetzten Links dann finden.
LG
Renate
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