Kein oder kaum ein Unterschied zu den Problemen mit Hartz IV sonst
Siehe Link
Und nun der Text, den ich anders als sonst oft mal hier rein übernehme:
...
Solo-Selbstständige, wie KünstlerInnen, SchauspielerInnen oder sonstige Freischaffende leiden darunter, dass durch die Corona-Pandemie ihre Aufträge in Teilen oder komplett wegfallen. Nun haben sie die Möglichkeit die Landes-Soforthilfen oder Bundeshilfen zu beantragen. Allerdings gibt es bei der Bundes-Soforthilfe einen Pferdefuß: Hier muss ein Gewerberaum vorgewiesen werden, der oftmals nicht vorhanden ist, weil er auch einfach nicht gebraucht wird. Zauberer, Schauspieler und viele weitere freie Berufe arbeiten oftmals im Home-Office. Da wäre jeder angemieteter Gewerberaum eine zusätzliche unnötige finanzielle Belastung.
Mich kontaktieren unterschiedlichste Solo-Selbstständige, um mir ihre Erfahrungen mitzuteilen. So höre ich teilweise von hohen bürokratischen Hürden, um an das vereinfachte Arbeitslosengeld II zu gelangen oder das lange Warten auf die Zahlung der Soforthilfe des jeweiligen Bundeslandes. Die Bundesländer setzen hier ihren Föderalismus in vollem Umfang um, so dass nicht von einer einheitlichen Regelung gesprochen werden kann.
Als
unbürokratisches positives Beispiel nenne ich eine Schauspielerin, die
in Berlin lebt. Ihr Antrag auf die Soforthilfe wurde innerhalb weniger
Stunden bearbeitet und genehmigt und zwei Tage später hatte sie ihre
5.000 Euro auf dem Konto. Ein Anruf beim zuständigen Jobcenter ergab,
dass sie vermutlich einen Anspruch auf Hartz IV hat. Parallel wurde
festgestellt, dass sie womöglich ebenso einen Anspruch auf das
Arbeitslosengeld I hat. Sollte dieses unter dem Satz von Hartz IV
fallen, könnte sie ergänzend Arbeitslosengeld II beantragen. Nach dem
vereinfachten Arbeitslosengeld-II-Verfahren hätte sie somit einen
Anspruch auf vorübergehende volle Mietkostenübernahme sowie dem
regulären Regelsatz von 432 Euro einer alleinstehenden Person von rund
1.000 Euro. Summa summarum alles sehr unkompliziert.
Komplizierter scheint es in Wiesbaden zu sein: Alleinstehend, tätig
in einem freien Beruf. Dort wurde zwar auch auf die vereinfachten
Formulare hingewiesen, jedoch mussten weitere Bestätigungen, wie eine
Wohnbestätigung (Wohnortnachweis) durch die Stadt,
Vermieterbescheinigung, Kontoauszüge der letzten 6 Monate,
Einkommensnachweise der Bedarfsgemeinschaft, Anlage Vermögen, Kopie
Fahrzeugschein, Kopie Nachweis Haftpflichtversicherung, Anmeldebogen
Arbeitspaket (Standardwerk der Jobcenter in dem die Ausbildung,
beruflicher Werdegang, Kenntnisse, Fähigkeiten u.v.m. einzeln
beschrieben werden muss) verlangt. Gleichzeitig wurde ein telefonischer
„Kunden“- Termin mitgeschickt. Sollte dieser nicht wahrgenommen werden,
so wird die komplette Leistung wegen mangelnder Mitwirkung (Anm. §66 SGB
I) eingestellt.Die vereinfachten Anträge und „Beilagen“ finden sich hier.
Da Hartz IV in sich schon sehr komplex ist, habe ich das Sozialschutz-Paket von Anfang an begleitet und bin heute auf einen Bericht von „tabularasa“ – Zeitung für Gesellschaft & Kultur gestoßen. Im Artikel „Corona – Filmbrancheninfo #29“ liest man einen Erfahrungsbericht von zwei Filmschaffenden und ihrem Versuch Hartz IV zu beantragen (ziemlich weit unten). Zuvor kristallisierte sich heraus, dass sie keinen Anspruch der bayerischen Soforthilfe als auch keinen Anspruch der Bundeshilfe haben, da sie keine Betriebskosten nachweisen können. Für den Antrag reichten sie entsprechend den Vorgaben den Hauptantrag und die Anlage des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit ein. Ihrem Jobcenter genügte das nicht. Sie fragten nach und erhielten die Antwort:
„Jedes Jobcenter können eigenmächtig entscheiden, welche Formulare es zur Beabeitung eines solchen Antrages einfordere.“Insgesamt mussten die Filmschaffenden sechs unterschiedliche Formulare ein- beziehungsweise nachreichen. Interessant wird es bei der Übernahme der tatsächlichen Mietkosten, die um zwei Drittel schrumpfte, weil die Soforthilfe aus Bayern angerechnet wurde. Diese erhielten die Filmschaffenden jedoch nicht, weil sie ja keine Betriebskosten haben.
Beide Filmschaffende kritisieren zurecht, dass die Vereinfachung in ihrem Fall keine ist. Es erinnert sie stark an Hartz IV, welches sie aus früheren Zeiten bereits kennen. Sie schlagen vor, dass – analog Baden-Württemberg eine Art vorübergehendes Grundeinkommen zur Deckung der Lebenshaltungskosten von freischaffenden Künstlern einzuführen.
Baden-Württemberg
zahlt Solo-Selbstständigen im Bereich Kunst, Kultur und
Kreativwirtschaft einen nicht rückzahlbaren Zuschuss für drei Monate in
Höhe von 9.000 Euro. Gleichzeitig können Solo-Selbstständige
pauschalierte Kosten des privaten Lebensunterhalts in Höhe von 1.180
Euro pro Monat beantragen. Dieses hat das Stuttgarter Kunstministerium
am 8. April nochmals untermauert.
Sie konstatieren, dass„die Grundsicherung nicht wirklich vereinfacht, sondern im Gegenteil alles andere als die der Situation angemessene schnelle Hilfe ist, die wir (wie so viele andere unseres Berufsstandes) gerade dringend benötigen.“Und sie warnen vor dem Ende der freien Kulturszene, wenn alles kommentarlos hingenommen wird.
...
LG
Renate
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