Samstag, 20. Oktober 2018

Über die grausame Behandlung von Vertragsarbeiterinnen in der DDR

Zwang zum Schwangerschaftsabbruch gehörte auch dazu und vieles mehr

Quelle: ze.tt

Wenn man das liest, wird einem ganz anders.

Es berichten drei Vietnamesinnen darüber, wie sie als sogenannte Vertragsarbeiterinnen in der DDR einmal zur Arbeit ins Land geholt wurden und wie schlecht sie da behandelt worden sind.

Es ist auch üblich gewesen, dass die Vertragsarbeiterinnen in der DDR keine Kinder bekommen durften, sondern zum Schwangerschaftsabbruch gezwungen wurden.

Und schon früher sind Ausländer drüben wie Dreck behandelt worden und konnten ihre Unterkünfte deshalb kaum verlassen. Der Hass gegen alles Fremde war schon immer riesengroß .. ist also nicht nur heute so.

Lichtenhagen wird da, wenn man sowas liest, nachvollziehbarer.

Damals als die Vietnamesen in Lichtenhagen so angegriffen wurden, was ja eine der ersten rassistischen Aktionen in den neuen Bundesländern war, die schockierten, war mir nicht klar, dass es auch schon vor der Wende diesen Hass gegen Ausländer gab und auch nicht, dass Vietnamesen unter anderem zu den Menschen gehörten, die als sogenannte Vertragsarbeiter dort fast wie Sklaven ausgebeutet worden sind.

Ich kopiere noch ein paar Passagen raus aus dem Artikel . Rest wie immer selbst lesen.

https://ze.tt/vertragsarbeiterinnen-in-der-ddr-heute-koennen-sie-keine-kinder-mehr-kriegen-weil-sie-kaputt-sind/

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 Isolation, rassistische Gewalt, Zwang zum Schwangerschaftsabbruch − das erlebten Vertragsarbeiter*innen in der DDR. Rund 60.000 von ihnen kamen aus Vietnam. Drei Zeitzeug*innen erzählen uns ihre Geschichte.
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 16. Oktober 2018

„Bis heute habe ich noch den Geruch der Wandfarbe in der Nase. Alles roch neu in der Wohnung. Wir haben uns alle erst mal übergeben. Der lange Flug, die Busfahrt, die Kälte, der Geruch − das war alles zu viel. Wir haben uns ins Bett gelegt und bis zum nächsten Tag geschlafen. Erst dann haben wir erfahren, dass wir in Berlin waren. In Berlin-Ahrensfelde.“
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  Keine*r der Frauen und Männer wusste, dass sie in Bussen quer durch die DDR transportiert werden sollten, in Städte, von denen sie zuvor nie gehört hatten. Mitentscheiden durften sie sowieso nicht. Die meisten Spinnereien und Webereien waren im Süden: Sachsen und Thüringen. Bei Magdeburg wurden Vertragsarbeiter für den Kohlebergbau eingesetzt. Die meisten Nähereien waren in Berlin. Hier wurde Thu gebraucht.
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  Etwa, wenn sie erzählt, wie sie und die sechs Frauen, mit denen sie sich eine Dreizimmerwohnung teilen sollte, sich über einen notdürftig mit Holzbrettern gebastelten Wohnheimeingang den Weg ins Haus erkämpften. Die Wandfarbe roch zwar neu, aber trotzdem war da das Gefühl, dass das Land nicht ganz vorbereitet war auf die vielen, die bereits da waren und noch kommen sollten. Sollte die provisorische Einrichtung sie daran erinnern, dass sie nach fünf Jahren zurückmussten? So war es vertraglich vorgesehen. 1980 schloss die DDR nach Polen, Ungarn und Mosambik und weiteren sogenannten sozialistischen Brüderstaaten auch mit Vietnam ein Anwerbeabkommen für Arbeitskräfte ab. 1989 lebten und arbeiteten hier knapp 60.000 vietnamesische Vertragsarbeiter*innen.
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Durch die Flucht vieler junger Bürger*innen brauchte die DDR dringend Arbeitskräfte. Deshalb wurden mithilfe des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe zusätzliche Arbeiter*innen angeworben – im Gegensatz zu den westdeutschen sogenannten Gastarbeiter*innen, die meist von privaten Unternehmen in die BRD eingeladen wurden. Die DDR-Vertragsarbeiter*innen kamen unter anderem aus Kuba, Ungarn, Mosambik, Angola, Algerien und eben aus Vietnam. Ende 1989 lebten insgesamt rund 94.000 von ihnen in der DDR.
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 Thu nähte für das Bekleidungswerk Fortschritt in Berlin-Lichtenberg Säume, Taschen und Bünde für Herrenanzüge zusammen. Die Schichten in der Fabrik dauerten acht Stunden, die Schichtarbeit zehrte an ihren Kräften. Die Frauen, die sich zu zweit oder dritt ein Zimmer teilten, machten sich mal in aller Frühe, mal spät in der Nacht auf zur Arbeit. Wenn sich die eine erschöpft ins Bett legte, begann die andere zu kochen.
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Wenn du hier jemanden fragst, der heute 60 Jahre alt ist, wie das Leben in der DDR war, wird er wahrscheinlich antworten: Ich war zehn Jahre lang acht bis zehn Stunden täglich in der Fabrik, und das war’s. Das Leben war komplett durchgeregelt.“ Mit sieben Jahren kam Tuan im Frühling 1989 als Sohn einer Vertragsarbeiterin nach Ostberlin. Als Parteifunktionärin in Vietnam genoss seine Mutter Vorzüge, die nur die wenigsten Vertragsarbeiter*innen hatten: Sie durfte ihre Kinder in die DDR nachholen.
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 Am Tag nach der Maueröffnung sei Tuans Mutter zur Arbeit gegangen, am Eingang der Fabrik habe ihr ein Schild mitgeteilt: geschlossen. „Wir Vietnamesen wurden nie aufgeklärt, was überhaupt passiert war. Wir haben die Wende nicht mitbekommen“, sagt er. Die meisten Verträge waren nun ungültig, knapp 80 Prozent der Vertragsarbeiter*innen standen ohne Arbeit auf der Straße. Bis zur Klärung des Aufenthaltes 1997 war Berlin für sie noch eine geteilte Stadt, im Pass stand: „Gewerbe und Erwerbstätigkeit nicht gestattet, außer im Beitrittsgebiet.“ Für den Lebensunterhalt verkauften sie importierte Waren von Jeans bis Zigaretten auf dem Markt, für den Aufenthaltstitel machten sie sich später selbstständig. Einige von ihnen sind heute die Inhaber*innen der Läden im Dong Xuan Center.
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War der Bauch erst einmal zu dick, durften die Frauen wegen des Gesundheitsrisikos nicht abgeschoben werden. Daher versteckte Thu etwa eine ihrer Kolleginnen bis zur Entbindung in einem Kleiderschrank. Tamara vom Verein Reistrommel erzählt hingegen, wie sie der Heimleitung anbot, die jungen Frauen über Verhütung aufzuklären. Erwünscht sei das jedoch nicht gewesen. Man bevorzugte Vorsichtsmaßnahmen anderer Art: Laut Hausordnung mussten alle Bewohnerinnen bis 22 Uhr in ihre Wohnheime zurückgekehrt sein. Besucher, selbst wenn es die Ehepartner waren, durften überhaupt nicht empfangen werden.
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Die deutsche Bevölkerung, aber auch die politischen Strukturen waren auf die Vertragsarbeiter nicht vorbereitet. Dasselbe Problem gab es auf der Post, wo die Pakete für die Heimat abgegeben wurden.“ Thu meint: „Wir waren zu viele für die. Die Blicke haben gesagt: Ihr schon wieder!“ Nähmaschinen und Fahrräder wurden irgendwann nicht mehr an Vietnames*innen verkauft, und auch kein Hähnchen, weil sie das oft und am liebsten aßen.
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„Das war noch lange bevor das Asiaten-Klatschen in Marzahn Volkssport wurde“, erzählt Tamara. Rassistische Gewalt hat es aber schon vorher gegeben: So wurden etwa 1975 nordafrikanische Vertragsarbeiter*innen durch Erfurt gejagt, von einer Gruppe, die „Schlagt die Algerier tot!“ brüllte. 1979 wurden zwei kubanische Vertragsarbeiter in Merseburg und 1986 der Mosambikaner Manuel Diogo von Neonazis in einem Zug zwischen Berlin und Dessau ermordet. Gewalt war für viele Vertragsarbeiter*innen allgegenwärtig. Statistisch erfasst wurden die Übergriffe selten.
Durch die Verteilungsängste nach der Wende sei die Situation jedoch eskaliert, sagt Tamara. Thu bestätigt, wie die Beschimpfungen in der Straßenbahn und die körperlichen Angriffe ab Anfang 1989 zunahmen, doch auch sie erinnert sich, dass es diese schon vorher gegeben hätte: „Viele haben die Beschimpfungen nicht verstanden, weil sie kein Deutsch konnten. Doch ich habe sie verstanden. Ich habe sie nie übersetzt.“
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 LG
Renate

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