Dienstag, 9. Oktober 2018

Ein Text, der ans Herz geht (mit genaueren Infos über die Vorfälle in Köthen)

Was das Paar aus Köthen gerade in Deutschland erlebt

Rassismus in Reinkultur.

Nur mal auszugsweise:

Rest findet Ihr unten in dem Link .. Ihr könnt da gerade nicht anklicken, wenn Ihr möchtet. Dann könnt Ihr das lesen.

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Der Streit um ihr gemeinsames Kind soll die Schlägerei in Köthen ausgelöst haben, nach der Markus B. starb. Nun werden Lena und Sajid bedroht.

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KÖTHEN taz | Er liebt sie und sie liebt ihn, seit ein paar Monaten schon, was auch immer das bedeutet mit 18 Jahren. Schmetterlinge, Eifersucht, Pläne schmieden und wieder verwerfen, chillen mit den anderen, wissen, dass das Herz sowieso gebrochen werden wird.
„Weißt du noch“, fragt er, „wie du mich damals Kanake nanntest, als wir uns zum ersten Mal sahen?“


„Das hab ich nicht“, antwortet sie. „Vielleicht doch. Damals habe ich so was noch gesagt.“
Sie heißt Lena. Er Sajid.
Sajid lebte in Afghanistan, bis er floh und nach Deutschland kam. In Lenas Heimatstadt in Sachsen-Anhalt, Köthen. Lena liegt in Sajids Bett, es ist fünf Uhr am Nachmittag, der Tag vergeht mit nichts. Ein Rapper motzt über emanzipierte Frauen. Ich will das nicht mehr hören, sagt Sajid und sucht ein anderes Lied. Eine Schnulze. Bitte bleib doch für immer, singt ein Mann auf Persisch und Sajid mit, er schaut Lena dabei in die Augen. Es hätte eine schöne Liebe sein können.
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 Aber jetzt ist Lena schwanger und ein Mann tot. Deshalb heißen Lena und Sajid eigentlich anders.
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In dieser Nacht kommt es zu einer Schlägerei auf einem Spielplatz im Zentrum der Stadt. Anfangs streiten sich mehrere Afghanen, prügeln sich, dann kommt eine Gruppe Deutscher dazu. Einer von ihnen wird geschubst, stürzt zu Boden. Später, im Krankenhaus, wird Markus B. sterben. Der Obduktionsbericht zeigt, dass er einem Herzinfarkt erlag. Die Polizei ermittelt gegen zwei ­afghanische Geflüchtete wegen Körperverletzung mit Todesfolge. So viel teilt die Polizei bislang mit.
Jetzt ist Köthen die Stadt, in der ein Deutscher von Afghanen umgebracht wurde. Egal, ob das nun stimmt oder nicht. Jetzt ist Köthen die Stadt, in der sie Lena die Schuld dafür geben. Der Streit war an einer Frage entfacht: „Lena, von wem bist du eigentlich schwanger?“
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Sajid steht in seinem Zimmer und tritt lustlos gegen einen Fußball. Sein Zimmer ist ein Raum, der aussieht, als hätte der Vormieter beim Auszug Sperrmüll und ein paar Flüchtlinge zurückgelassen. Die Wände nur zur Hälfte gelb gestrichen, drei Betten und eine ausgeklappte Couch mit zerrissenem Bezug, ein Schrank, dessen Tür abfällt, als der Fußball dagegen rollt. Offiziell wohnen vier junge Männer hier und dann sind da noch die, die nicht alleine schlafen wollen.
Wie war dein Leben in Afghanistan?
„Ich bin zur Schule gegangen und habe Fußball gespielt“, sagt er.
Und hier in Deutschland?
„Hier will man keine Araber in den Fußballvereinen.“

Sajid sagt, er geht gerne zu Schule. Deutsch hat er schnell gelernt. „Alter, bist du bescheuert, Mann.“ „Jetzt laber doch nicht.“ So was. Er würde gerne als Informatiker arbeiten. Oder, wie wird man eigentlich Journalist? Bis jetzt hat er nur einen Hauptschulabschluss und keine Ahnung, ob er noch weiter zur Schule gehen darf. Eigentlich muss er ausreisen, ist nur geduldet. Ein paar Tage noch, so steht es in seinen Papieren. Dann ist es vorbei für ihn in Deutschland, vielleicht. So wie am Ende eines jeden Monats.
Ein Ultraschallbild will er nicht behalten
In Lena verknallt er sich im Friedenspark, da ist noch Frühling und sie mit einem anderen zusammen. Sie ist die mit der großen Klappe, er der mit den schönen Augen. Seitdem sind sie mal ein Paar, mal wieder nicht. Vorher war Lena mit einem anderen aus dem Jugendclub befreundet, auch er kommt aus Afghanistan. Als sie Sajid erzählt, dass sie schwanger ist, muss er weinen. Ist von dir, sagt sie. Ein Ultraschallbild will er nicht behalten.






Ein Ultraschallbild will er nicht behalten.
Am Ende eines verliebten Sommers kommt der achte September. Lena und Sajid verbringen den Abend bei Lenas älterer Schwester. Seit ein paar Wochen ist die mit Sajids bestem Freund zusammen, auch Afghane, auch als Jugendlicher nach Deutschland gekommen. In diesem Text heißen die beiden Selina und Ahmad.
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Den Abend, an dem Markus B. starb, schildern die vier, mal in gemeinsamen Gesprächen, mal alleine. Es ergibt sich ein Bild, aber kein vollständiges. Die Polizei ermittelt noch. Inzwischen werten sie sogar die Daten aus Markus B.s Herzschrittmacher aus. Die Version der vier geht so: Die beiden Tatverdächtigen rufen an, fragen, wo Lena und Sajid sind, kommen vorbei. Lena und Sajid gehen zu ihnen raus. Die Männer sind mit Lenas Ex-Freund befreundet. Sie alle kennen sich gut.
Wer denn der Vater ihres Kindes sei, fragt der eine.
„Sajid“, antwortet Lena.

Der eine schlägt daraufhin Sajid ins Gesicht. „Warum Sajid, warum?“, soll er gerufen haben.
Lena ruft ihre Schwester um Hilfe, sie gehen zurück in ihre Wohnung. Damit hätte alles beendet sein können.
Dann kommen Markus B., einige seiner Geschwister und Freunde dazu. Es kommt schnell zur Schlägerei, zu Beschimpfungen. Mal versucht Selina einen der Afghanen aufzuhalten, so schildert sie es, später würgt ihn ein Deutscher.
Selina hört: Immer drauf! Eins gegen eins! Sie hört auch: Was wollt ihr Kanaken? Kommt mal ran!
Der Vater von Markus B. soll dabeigestanden haben, seine Schwester mitgegrölt, der Bruder, der auf Facebook die NPD liked, war da. Selina erinnert sich auch daran, wie einer der Afghanen, der jetzt in Untersuchungshaft sitzt, Markus B. getreten hat, er lag da schon am Boden.

Als die Polizei schon da ist, schlägt jemand ein Fenster von Selinas Wohnung ein.
Lena und Sajid werden noch in der Nacht befragt. Auch Selina muss zweimal zur Polizei. Beim ersten Mal fragen sie, ob sie ein Messer gesehen hat. Nein, sagt sie, nur Fäuste. Beim zweiten Mal, ob jemand mit einer Eisenstange zuschlug. Das dritte Mal meldet sie sich bei der Polizei, wegen ihres Bruders. Wenn das Kind da ist, habe er gesagt, spiele ich damit Fußball, so wie die mit Markus’ Kopf. Ihre Familie hat ihn angezeigt.
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Unmittelbar nach dem Vorfall postet eine Frau auf Facebook ein Foto von Lena und schreibt dazu: „Deshalb mach ich es, das jeder sehen kann weshalb Marcus sterben muss, weil du dich von diesem Viehzeug schwängern lassen musstest“.
Dann eine Nachricht: „Die werden richtig bluten vor allen die Schlampe, die mach ich richtig fertig“.
Und noch eine: „IHR SEIT VERANTWORTLICH DAS MARKUS NICHT MEHR DA IST“.
Sajid erzählt der Ausländerbehörde von einem Anruf. Lass dich nicht mehr in Köthen blicken, hört er jemanden sagen, wir werden dich kriegen. Es ist ein Afghane. Ein paar Tage nach dem Vorfall darf Sajid umziehen, zu seinem besten Freund, in eine andere Stadt. Um mehr kümmert sich die Behörde nicht, teilt sie mit, Sajid sei ja schließlich volljährig.
Selina und Lena sind zu Besuch, sind eine Stunde mit dem Bus von Köthen aus gefahren. Zwei Tage wollen sie bleiben, dann werden es drei, vier, schließlich eine Woche in der Asylunterkunft und nichts könnte besser passen.
Lena erzählt, dass sie sich bald eine eigene Wohnung sucht, für sich und das Kind. Sajid, dass er zur Afghanischen Botschaft nach Berlin fahren muss, einen Pass beantragen, damit er als Vater anerkannt werden kann. Nur könnte man ihn dann, wenn er den Pass hat, abschieben.
 Selina überlegt, aus Köthen wegzuziehen, hierher vielleicht, weil es hier mehr Migranten gibt. Früher, sagt sie, da habe sie sich vor denen gefürchtet. Aber nicht vor Ahmad. „Der wird mir nicht wehtun“, sagt Selina. „Nur das Herz brechen.“
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Traurig, nicht wahr?

Man kann den zwei nur die Daumen drücken, dass der Papa ihres Kindes hier bei ihr bleiben darf, was nicht sicher ist ... und dass sie von den Rassisten dort, wo sie dann sind, auch wirklich nicht gefunden werden.

In was für einem Land leben wir nur?

LG
Renate

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