Sonntag, 7. Oktober 2018

Ostalgie und die daraus resultierende Westalgie

Beide Begriffe waren mir bis vor kurzem nicht bekannt, aber neuerdinge regt sich bei mir Protest


Ja ... ich habe mich sehr mit der BRD identifiziert früher. Mir hat das Land, in dem ich geboren wurde, gut gefallen. Ich habe mich dort wohl gefühlt. Ich fühlte mich dort so wie es war heimisch.

Heute tue ich das oft nicht mehr .. und ich glaube, das hat einen Grund.

Mir geht das, was man Ostalgie nennt, ganz gewaltig auf den Sack .. und nein, auch wenn mir das eine frühere Freundin anzuhängen versucht, die einfach nicht verträgt, dass ihre Meinung mal nicht meine ist, ich bin nicht komplett verbittert.

Ich bin nur dagegen, dass mir zu viele Menschen, die sich anstecken lassen von etwas, das so gar nicht funktionieren kann, die Demokratie in dem Land gefährden, in dem ich 65 Jahre lang relativ zufrieden gelebt habe und auch meine Kinder und Enkelkinder in Sicherheit wähnte. Das sollte so bleiben und dafür setze ich mich auch ein.
...
Offenbar entwickelte sich das, was man unter Ostalgie versteht, schon wenige Jahre nach der sogenannten Wende, wo die Menschen in beiden Teilen Deutschlands noch glücklich darüber waren, dass wir nun ein Land geworden waren.

Da fingen manche der Menschen aus dem ehemaligen DDR-Gebiet an, die frühere DDR erstens schönzureden, Dinge zu verschleiern, die da passiert sind und sich einzureden, es wäre ja alles viel besser gewesen als im nun gemeinsamen Deutschland.

Die Menschen aus dem ehemaligen BRD-Gebiet nahmen das alles viel gelassener hin, obwohl es überwiegend die Mittelschicht des Westens war, die die bisher an die 2 Billionen Euro hohen Kosten für den Wiederaufbau Ost tragen, die sich noch immer auf jährlich ca. 80 Milliarden belaufen und in erster Linie aus erhöhten Steuern, erhöhten Sozialabgaben sowie auch Schulden, die der Staat extra dafür gemacht hat, finanziert werden. Es trifft hauptsächlich die Familien im Westen, die über ein Monatseinkommen von ca. 3.500 bis 6.000 Euro verfügen. Bzw. hat sie getroffen. Als die Grenze gerade offen war und meine frühere Familie sowie die meines heute 2. Mannes noch da, haben wir übrigens beide durchaus dazu gehört und ich gehe davon aus, dass auch heute manche meiner Kinder in diese Einkommensklasse fallen.

Ich fand dann auch einen Kommentar (überall, wo es hingehört und wo auch nicht, weil es meine Pferdeseite ist und gar nicht mit dem Thema zu tun hat) besagter Frau im Alter meiner Großen, die aus der ehemalige DDR konnt ...wie kann ich denn nur sagen, der Osten hätte über seine Verhältnisse gelebt. Das stimmt doch so gar nicht.

Und dabei bestätigte sie mir sofort genau das. Sie wünschte sich zur Jugendweihe von ihrer Familie ein Kofferradio mit Cassettenrecorder, das zu den Produkten gehörte, die damals die Ex-DDR in den Westen lieferte und das drüben so teuer war, dass es locker das Monatsgehalt eines normalen Arbeiters oder mehr kostete.

Tja gute Frau ... glaubst Du im Ernst, ich hätte mir zur Konfirmation früher von meinen Großeltern etwas gewünscht, das mehr als eine Monatsrente meines Opas . von der wir alle lebten, er selbst, Oma, Mama und ich auch .. ausgemacht hätte.

Ich habe mir mein erstes Kofferradio mit Kassettenrecorder, das ich mit an den Strand nehmen konnte, das war lila wie damals modern in den 60iger Jahren, irgendwann gekauft, als ich schon in die Lehre ging und meine Familie sagte, ich darf meinen Lohn behalten. Davon habe ich dann aber auch ab da meine eigene Kleidung bezahlt, alles, was ich sonst gern haben wollte und meinen später gemachten Führerschein zusammengespart.

Es gab ein Radio im meiner Familie, als ich ein Kind war, auch einen Plattenspieler und sogar einen Fernseher, den sogar schon lange, weil mein Vater Radio-Fernsehtechniker war und solange meine Eltern noch zusammenlebten, selbständig mit so einem Laden. Diese Sachen waren für alle zusammen da, für mich natürlich auch, mehr nicht.

Ich habe Jürgen gefragt, auch er hat von seinen Adoptiveltern nie so große Geschenke verlangt.

Bei uns wurden weder Miete noch Fahrkarten noch Grundnahrungsmittel oder andere Dinge des täglichen Bedarfs subventioniert. Die waren viel teurer als drüben, aber viel mehr als Ihr haben wir auch nicht verdient. Es gab bei uns Unterschiede beim Einkommen und soweit ich gesehen habe, drüben auch.

Aber von unseren Einkommen mussten erstmal große Mengen abgezweigt werden, um überhaupt das zu bezahlen, was man täglich zum Leben braucht und erst danach konnte man darüber nachdenken, ob man sich noch irgendwelchen Luxus leisten kann oder nicht .. und nicht jeder konnte das oft.

Es war eine reine Illusion, sich den Westen so vorzustellen.

Was anders war in der BRD als heute war, es gab so gut wie gar keine wirklich armen Leute. Die Sozialleistungen waren besser, also Sozialhilfe für Menschen, die sich wirklich nicht selbst ernähren konnten, die Renten, auch die Pflege wurde ganz anders gehandhabt damals.

Unsere Männer waren es gewohnt, ihre Familie überwiegend alleine zu ernähren. Wir hatten keine Vollbeschäftigung und die wurde auch nicht künstlich angestrebt.

Die Frauen haben sich in erster Linie um die Kinder, aber auch oft um die zur Familie gehörenden Alten zu Hause gekümmert. Es gab deshalb auch kaum Kindergärten und keine hohen Kosten damit. Um die Hausaufgaben der eigenen Kinder kümmerten sich die Mütter nachmittags selbst und kein Schulhort, der ja auch den Staat Geld kostet.

Frauen haben meistens nur jung Vollzeit gearbeitet, danach später allenfalls Teilzeit oder im Nebenjob, manche auch gar nicht mehr.

Sie kriegen deshalb auch weniger Rente als die meisten Frauen aus dem Osten, wo die Renten angeglichen worden sind .. es sind zum Teil da auch irgendwie neue Ungerechtigkeiten geschaffen worden .. vielleicht ist ja schonmal jemand aufgefallen, dass die eigentlich niedrigen Ost-Renten angeglichen wurden, aber da dort die Frauen fast alle immer berufstätig waren, die nun doppelt Rente kriegen und die Frauen hier aber selten, da sie viel weniger gearbeitet haben und es für Kindererziehuhng oder Pflegezeiten für die Eltern oder andere Familienmitglieder diese Riesensummen nicht gibt.

Auch in den alten Bundesländern stieg erst nach der Wende die Arbeitslosigkeit stark an .. und die war der Grund für die Einführung von Hartz IV. Auch ich habe aber nicht finden können, ob man da wirklich einen Zusammenhang herstellen kann.

Völlig von der Hand zu weisen wäre das aber nicht.

Wenn ich sage, der Osten hat 45 Jahre lang vor der Wende über seine Verhältnisse gelebt, dann ist das geschichtlich belegt.

Das entstand so, dass einmal eine künstliche Vollbeschäftigung aufrecht erhalten wurde, die gar nicht da war.

Das entstand weiterhin durch die Subventionierung von Mieten, Fahrkarten, Grundnahrungsmitteln und anderen lebenswichtigen Gütern drüben .. was nur durch extremes Schuldenmachen beim Westen ging.

Dadurch aber kam dann dieser Tauschhandel zustande. Geld zum Zurückzahlen war nicht da .. also gingen Ost-Waren, die qualitativ gut und auch im Westen verkäuflich waren, rüber in die BRD. Da Honecker, um die Leute im Osten bei Laune zu halten, immer mehr Geld von der BRD brauchte, wurden das immer mehr Waren, die dann im Gegenzug in den Westen gingen .. und oft nichtmal so viele, wie eigentlich hätten rübergehen sollen, weil drüben die Produktion nicht mehr hinterherkam.

Weitere Schulden wurden dann deshalb nicht mehr gegen Waren, sondern Erleichterungen für die Menschen im Osten erlassen .. wie Abschaffung des Schießbefehls, Wegräumen der Minen im Grenzbereich und später der Option auf Ausreisemöglichkeiten für alle Menschen aus der ehemaligen DDR .. was dann eskalierte und in der sogenannten Wende endete.

Zu der Zeit hatte die DDR schon wieder 15 Milliarden DM neue Schulden bei der BRD, die Russen konnten und wollten auch nicht mehr helfen und es kam zur sogenannten Wiedervereinigung.

Nein ...es wäre nicht möglich, heute in ganz Deutschland Zustände zu schaffen wie früher in der ehemaligen DDR.

Es wäre deshalb nicht möglich, weil eine normal laufende Wirtschaft auch im sogenannten Kapitalismus, der auf Gewinne abzielt für die Unternehmer, so viel Geld, das zusätzlich vorhanden wäre, gar nicht hergibt.

Was man unter Ostalgie versteht, ist etwas, das offensichtlich nicht verstanden hat, dass es ein Ding der Unmöglichkeit wäre, die alten DDR-Verhältnisse wiederherzustellen. Sie waren etwas Künstliches, das es nie wieder so geben wird .. eine Illusion.

Unter Westalgie versteht man inzwischen etwas anderes .. nämlich den Unmut der Menschen aus dem Westen darüber, dass die in den neuen Bundesländern ständig jammern und nach immer mehr Hilfe schreien, obwohl ihnen seit 28 Jahren laufend geholfen worden ist und immer noch geholfen wird.

Die haben genug davon und wünschen sich deshalb auch innerlich die Zeit vor 1989 zurück .. denn die war auch hier besser .. aber real .. es war hier nicht künstlich geschaffen, sondern durch echte Leistung der Menschen in der BRD so erarbeitet worden.

Und ein Grund dafür ist auch der, dass die Ideale der West-Gesellschaft vor 1989 vielen Menschen sehr wichtig sind .. die haben mit Geld nichts zu tun .. sondern mit ideellen Werten .. die durch die Bedrohnung der Demokratie an sich von inzwischen immer mehr Menschen als gefährdet wahrgenommen werden.

Die sogenannte Westalgie will ihre Werte, ihre Demokratie und ihre Freiheit behalten.

Mehr über diese Thematik kann lesen, wer sich die diversen Links zu diesem Thema einmal durchliest.

Da findet man auch Zahlen darüber, was bis heute von den Menschen aus dem Westen für den Aufbau Ost ausgegeben wurde und nach wie vor ausgegeben wird und wie ungerecht es ist zu behaupten, diese Menschen täten nichts für die neuen Bundesländern. Das tun sie sehr wohl. Das wird aber von dem überwiegenden Teil der Menschen aus dem ehemaligen Osten unserer Republik als lediglich banal abgetan.

Wer mag, hat unten nun ganz viel zum Lesen. Ich fand jeden einzelnen dieser verlinkten Texte sehr interessant.



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