Tja .. was habe ich vor einigen Tagen gesagt?
Wir kennen uns aus, wir sind eine Bedarfsgemeinschaft aus einem Rentner und einem Aufstocker und beide freiberufliche Nebenbei-Künstler, nur mit der entsprechenden Erfahrung, weil wir das Problem schon seit einigen Jahren mit dem Jobcenter haben und gelernt, uns mit allen Mitteln zur Wehr zu setzen.
Die Neuen, die es jetzt aufgrund der Corona-Virus-Krise trifft, haben diese Erfahrung, die einen soweit bringt, dass sie jedem, der länger damit zu tun hat, ein Jura-Studium ersetzen würde, aber leider noch nicht und werden sie erst machen müssen.
Siehe den Text in der Süddeutschen, hier ist der Link .. der Text kommt drunter, weil mir momentan egal ist, ob ich alles übernehme .. es ist zu wichtig und muss so breitgefächert wie nur möglich weiterverteilt werden, damit es sich rumspricht:
...
Grundsicherung für Künstler in Hamburg:Ein Bollwerk verweigerter Hilfe
Was passiert, wenn Künstler in Hamburg nach der versprochenen "unbürokratischen Unterstützung" fragen? Sie werden erstickt mit Kleingedrucktem.n einer früheren Version dieses Textes entstand der Eindruck, als ginge es um die bundesweiten Einmalhilfen. Der hier behandelte Antrag auf Grundsicherung für Selbständige, der die langfristige Sicherung der Lebenshaltungskosten für Menschen garantieren soll, die durch die Corona-Krise schlagartig ihre Einkommen verloren haben, wurde in Hamburg gestellt. Diese Form der Grundsicherung bezieht sich nicht auf die Einmalhilfen, die von den meisten Bundesländern jetzt in unterschiedlicher Höhe auf Antrag vergeben werden. Der bürokratische Aufwand dieser Maßnahmen für die Betroffenen kann erst beurteilt werden, wenn alle Bundesländer ihre Antragsformalitäten beschlossen haben.
Es klingt gerade so, als wolle man allen
helfen, auch den Kreativen. Doch was geschieht konkret, wenn eine
Schauspielerin mit Gastvertrag, der DJ einer Kiezkneipe oder die
freiberufliche Grafikerin, die durch die Corona-Beschlüsse von einem Tag
auf den nächsten ihre gesamten Einkünfte verloren haben, sich auf die
großen Schlagzeilen der Politikerworte berufen und nach der "schnellen
und unbürokratischen" Unterstützung fragen - zumindest über die
Einmalhilfen hinaus? Sie werden - zumindest in Hamburg - erstickt mit
Kleingedrucktem. Eine Anfrage beim Jobcenter nach "Grundsicherung", die
von den Behörden gerade als Allzweckwaffe beworbene Sozialhilfe für
Selbständige in Not, wird von dort schnell und unbürokratisch
beantwortet mit zwei computergenerierten Mails.
Darin
enthalten sind 20 Dokumente mit zusammen 60 Seiten. Auf den ersten
beiden Checklisten werden zu 44 Stichpunkten mindestens 113 Dokumente
aufgelistet, die als Nachweis der existenziellen Not vorzulegen sind,
von Einnahme-Überschuss-Rechnung der letzten zwölf Monate über Nachweis
der letzten Mietänderung, alle Kontoauszüge der in einem Haushalt
lebenden Personen des letzten halben Jahres bis zu rätselhaften
"Sperrzeitbescheiden" oder "Nachweis KIZ". Die Sammlung der sieben
auszufüllenden Anlagen mit Titeln wie EKS, KDU oder VÄM umfasst 27
Seiten, für die es allein neun Seiten "Ausfüllhilfen" und noch einmal
sechs Seiten "Hinweise" gibt. Hilfestellungen? Es gibt noch ein Formular
"Rückrufzettel Arbeitsvermittlung" mit dem Angebot: "Sie haben einen
Gesprächswunsch, dem wir aktuell leider nicht sofort nachkommen können.
Bitte füllen Sie diesen Bogen vollständig aus."
Auch in dieser allgemeinen Notsituation müssen Partner und Familienangehörige zahlen
Dieser menschenverachtende Wahnsinn trifft die Ärmsten dieser Gesellschaft. Nun stehen unzählige Menschen vor diesem Bollwerk verweigerter Hilfe, die doch alles getan haben, was die neoliberalen Sozialdemokraten um die Jahrtausendwende von ihnen verlangt haben. Kreative und eigenverantwortliche Selbstständige, die Steuern gezahlt haben, ohne vom Staat einen Cent zu fordern, und deren einziger Fehler es war, dass sie nicht reich genug geworden sind, um einen ökonomischen Shutdown zu überleben.
Doch nicht nur die Legionen von arbeitenden Menschen,
die als geringverdienende Selbständige durch den ökonomischen Stillstand
unverschuldet in Not geraten sind, werden durch diesen bürokratischen
Nachweisterror aufgefordert, doch bitte woanders betteln zu gehen. Auch
in dieser allgemeinen Notsituation müssen zuerst Lebenspartner und
Familienangehörige zahlen. Die "Bedarfsgemeinschafts-Prüfung" fällt bei
der Grundsicherung keineswegs weg. Antragssteller müssen trotz
staatlichem Arbeitsverbot dezidiert nachweisen, dass ihre Lebenspartner
keinen Euro übrig haben, um sie zu finanzieren.
Und
für die Kreativen ohne Festanstellung kommt noch erschwerend hinzu,
dass sie häufig irgendwo eine gering bezahlte Anstellung in Kneipen,
Boutiquen oder Agenturen haben, damit ihre Krankenkasse und ihre
Sozialabgaben gezahlt werden, wodurch sich plötzlich niemand wirklich
für sie zuständig fühlt. Sie sind ein bisschen selbständig und ein
bisschen angestellt. Tatsächlich zeigen sich die angeblich so
hilfsbereiten Institutionen in der Problemlösung also von ihrer eigenen
Bürokratie konterkariert, die jahrzehntelang dem aggressiven
Subsidiaritätsprinzip zum Umbau des Sozialstaats gefolgt ist.
Alle
zum Nichtstun verdammten Künstler ohne Rücklagen erfahren in dieser
Krise, was das konkret bedeutet. Sie werden von einer anonymen
Bürokratie behandelt, als wollten sie den Staat bestehlen. Wenn die
gönnerisch auftretende Politik dieses System nicht schnell niederreißt,
führen ihre Versprechen nur zu einem tief greifenden Vertrauensverlust
in die Kompetenz der Demokratie, ihren Bürgern wirklich zu helfen, wenn
es darauf ankommt.
...
LG
Renate
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