Dienstag, 30. Oktober 2018

Die letzte Talkshow von Anne Will zur Hessen-Wahl

.. und wie perfekt da Robert Habeck und Christian Lindner Streitkultur präsentiert haben


Quelle: NDR
Das fand ich vorhin wieder zufällig in den häufig gelesenen Texten aus dem Internet, die mir ein Firefox-Programm immer vorschlägt.

Daraus will ich Euch mal ein paar Textpassagen raussuchen und vorschlagen, den Rest wieder selbst zu lesen.

Textpassagen siehe also unter dem Link:



"Anne Will" zur Hessenwahl Streit, endlich

Anne Will diskutierte mit ihren Gästen über die Landtagswahl in Hessen. Robert Habeck und Christian Lindner widersprachen einander unentwegt - und führten vor, was CDU und SPD fehlt: Streitkultur.
Von Klaus Raab
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 Montag, 29.10.2018 

 Man kann sich um die Volksparteien Sorgen machen, man kann sich um die Demokratie Sorgen machen - beide Sorgen wurden in der Talkshow von Anne Will formuliert, die mit dem ungewohnt thesenlosen Titel "Nach der Landtagswahl in Hessen" überschrieben war. Aber um Robert Habeck und Christian Lindner, die Parteivorsitzenden von Grünen und FDP, muss man sich keine Sorgen machen. Sie könnten, wenn ihre Politikkarrieren einmal vorüber sein sollten, immer noch mit einem gemeinsamen Bühnenprogramm auftreten. Sie duzten sich, sie fielen einander ins Wort und widersprachen sich unentwegt. Und einmal, als Habeck Applaus erhielt, lachte Lindner, deutete ins Publikum und sagte: "Da sitzen deine drei Fans." Es gab schon langweiligere Talkshows.
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Nun können politische Prozesse nicht nach Unterhaltsamkeit bewertet werden. In diesem Fall aber war die Performance der beteiligten Personen organisch mit dem Thema verbunden. Anne Will interessierte sich, außer für den Abstieg von CDU und SPD, vor allem für den Aufschwung der Grünen, dessen Ursachen - im Gegensatz etwa zu Gründen für den Aufstieg der AfD - in Talkshows noch nicht viele Male durchgekaut worden sind. Kurze Zusammenfassung: Die Grünen leiden nicht unter den Querelen der Bundesregierung, sind pragmatischer geworden, profitieren auch von der Schwäche der anderen. Doch zu einem heimlichen Hauptgegenstand der Runde entwickelte sich im Rahmen dieser Diskussion auch die Präsentation von Politik.
Und da zeigte das Fernsehen, was es kann. Bebilderte Vorführungen legten sich über das bloß Gesagte und gewannen die Oberhand: Das Fernsehen übermittelte Darbietungen von Personen, die zeigten, wie relevant für die öffentliche Debatte Darbietungen von Personen sind.
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 Auf der einen Seite saßen der stellvertretende SPD-Vorsitzende Olaf Scholz und CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und demonstrierten, warum sie gerade keinen Stich machen. Eine Viertelstunde lang redeten Not und Elend aufrecht, aber unbewegt über parteiinterne Maßnahmen, die nun zu ergreifen seien. Kramp-Karrenbauer sprach über Zusammenhalt, die Professionalisierung des Apparats und den Bundesparteitag; Scholz über den künftigen "Fahrplan", "Konstanz und Stringenz" und nicht vermittelte Erfolge im Kleingedruckten der politisch-medialen Debatte.

 Einmal, als Anne Will ihm vorhielt, dass er immer die gleiche Antwort gebe, erwiderte Scholz, er sage "nicht aus Unterhaltungsgründen" jedes Mal etwas anderes. Will, spitz: "Sehr gut." Und während Kramp-Karrenbauer über "die Menschen" und Scholz über "die Bürgerinnen und Bürger" redete, dürften just diese zu Hause vor allem von Will wachgehalten worden sein, die aufgebaute Pappkameraden auf Standfestigkeit abklopfte.
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Auf der anderen Seite, rechts von Will, saßen Lindner, krawattenlos, und Habeck, der bildstark die Stirn kräuselte. Als sie ins Gespräch einbezogen wurden, dauerte es nicht lange, bis es nach Leben roch. Während Lindner das Erfolgsrezept der Grünen sinngemäß als Beliebigkeit unter Vorgaukelung von Antworten bezeichnete, charakterisierte Habeck es grob als Radikalität unter Anwendung von Vernunft. Aber entscheidend war an diesem Abend vor allem, dass sie sich heißredeten.
"Bin ich taub, oder was?"
"Nö!" - "Robert, Robert, ist doch alles gut." - "Das finde ich wirklich unangenehm, wenn du uns mit der AfD in einen Topf wirfst." - "Nein, Moment." - "So redest du die ganze Zeit." - "Nö, so rede ich gar nicht." - "Doch, auch heute Abend, ich mein, bin ich taub, oder was?" - "Vielleicht hast du eine interessengeleitete Erinnerung." Und so weiter. Habeck wollte nicht so gern cremig genannt werden, Lindner nicht populistisch. "Ihr seid Klimanationalisten!" - "Da nehme ich lieber cremig, fürs Protokoll." Es hätte leicht etwas Unangenehmes haben können, hätte man nicht bei den Einlassungen von Scholz und Kramp-Karrenbauer vorher die ganze Zeit gedacht: Jetzt hängt euch doch mal rein!
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 Was also vorgeführt wurde, war auf der einen Seite ein routiniert technischer Volkspartei-Sound. Und auf der anderen ein angriffslustiger Zirkusstil, der phasenweise ins Waldorf-und-Statlerhafte tendierte, ohne ins Seehoferisch-Fiese abzugleiten - mit dem es Habeck und Lindner aber gelang, wenn auch nicht die Details ihrer Angebote, so doch ihre Unterschiedlichkeit deutlich zu machen. Im Prinzip sah man auf der einen Seite Menschen, die auf Fahrpläne starren. Und auf der anderen, wie philosophisches Kolloquium und Bock auf Party darum stritten, ob sie mit dem Elektroroller oder der Limousine in die Nacht hinausfahren sollten.
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 Schade, dass wir das nicht gesehen haben .. hätte sicher Spaß gemacht zuzuschauen.

LG
Renate

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