Samstag, 11. Juli 2020

Trotz Coronakrise plant die Regierung, den Beschiss bei den Regelsätzen 2021 beizubehalten

So wenig soll es mehr geben .. ist noch nicht gesetzlich durch, aber geplant

Also wenn es nach Hubertus Heil geht, sollen die Regelsätze auch 2021 trotz Coronakrise und extremen Preissteigerungen für Lebensmittel und mehr deswegen nicht anders erhöht werden als in den Jahren davor .. sprich, was es mehr gibt, wäre ein Witz.

Lest mal dazu die Texte vom Paritätischen Gesamtverband und auch bei Frau Kipping und bei den Grünen.

Den ersten und letzten Text übernehme ich hier rein ... der von Katja Kipping ist viel zu lang, da müsst Ihr mal über den Link in der Mitte reingehen und es auf ihrer Seite lesen.

http://www.der-paritaetische.de/blog/article/2020/07/07/statement-von-dr-ulrich-schneider-zum-kampagnenstart-von-hartzfacts-mit-sanktionsfrei/
...

Statement von Dr. Ulrich Schneider zum Kampagnenstart von HartzFacts mit Sanktionsfrei

Sanktionsfrei und der Paritätischer Gesamtverband fordern eine menschenwürdige, sanktionsfreie und bedarfsdeckende Grundsicherung und starten heute die gemeinsame Infokampagne HartzFacts. Auf der Pressekonferenz zum Kampagnenauftakt sprach auch unser Hauptgeschäftsführer Dr. Ulrich Schneider.

Vorurteile auf der einen Seite und der repressive und ausgrenzende politische und administrative Umgang mit Hartz IV-Bezieher*innen auf der anderen Seite stehen in einem direkten Zusammenhang. Die Zuschreibung der Arbeitsunwilligkeit ist von zentraler Bedeutung. Das Vorurteil der Arbeitsunwilligkeit ist politisch nützlich. Es lenkt ab vom Versagen der Bundesagentur für Arbeit und der politisch Verantwortlichen, wenn es um die Integration von Hartz-IV-Beziehern in Erwerbsarbeit geht. Und es rechtfertigt scheinbar irgendwie, wenn die Leistungen für Hartz IV-Beziehende so knapp bemessen werden, dass sie Menschen in echte Not stürzen und Ausgrenzung aus der Mitte unserer Gesellschaft die zwangsläufige Folge ist. 

 In der letzten Woche sind die Vorschläge des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) zur Neubemessung der Regelsätze ab 1.1.2021 bekannt geworden. Sie basieren auf komplexen Berechnungen auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes, die alle fünf Jahre vorgenommen werden. Danach soll der Regelsatz für einen Single von derzeit 432 Euro um 1,6 Prozent auf 439 Euro steigen. Für Jugendliche ist ein Anstieg um 11,9 Prozent von 328 auf 367 Euro vorgesehen, für Kleinkinder unter 6 Jahren eine Anhebung von 250 auf 279 Euro (11,6%) und für Schulkinder zwischen 6 und 13 Jahren soll gar keine Erhöhung erfolgen. Die Berechnungen hätten ergeben, dass diese mit derzeit 308 Euro im Monat ohnehin schon 4 Euro zu viel bekämen. 

 Bereits in der Vergangenheit hat der Paritätische massive methodische Kritik an dem von der Bundesregierung gewählten Statistikmodell geübt. Die Geschichte der Regelsatzberechnung ist seit der Einführung von Hartz IV eine Geschichte manipulativer Eingriffe in die Statistik und von statistischen Tricksereien mit dem Ziel, die Regelsätze möglichst kleinzurechnen. Tatsächliche Bedarfe spielten dabei niemals eine wirkliche Rolle. Ebenso wenig der Alltag der Menschen. Die im statistischen und ministeriellen Elfenbeinturm kreierten Regelsätze gehen regelmäßig ganz bewusst und in voller Absicht an jeder Alltagswirklichkeit und Lebenserfahrung vorbei. Was wir in den letzten 16 Jahren in Sachen Regelsatz erleben, ist nicht die Anwendung von Statistik, sondern ihr Missbrauch. 


Wir haben dazu bei Forsa eine Befragung in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sind von bemerkenswerter Klarheit:
Nicht einmal jeder Fünfte geht davon aus, dass ein Single mit 439 Euro im Monat, wie von Minister Heil vorgeschlagen, seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Die breite Mehrheit nennt Beträge über 600 Euro. Im Durchschnitt geben die Befragten 728 Euro als notwendig an.
Für eine Paarfamilie mit zwei Kindern von 6 und 17 Jahren sieht der Arbeitsminister für 2021 einen Regelbedarf von bis zu 1.465 Euro monatlich vor. Nur ein Drittel der Befragten hält diesen Betrag für ausreichend, um den Lebensunterhalt für eine solche Familie zu bestreiten. Im Schnitt werden sogar 1.796 Euro angesetzt, die eine Familie mit zwei Schulkindern benötigt – also 23 Prozent mehr.
Und dass man ein Vorschulkind mit lediglich 279 Euro über den Monat bringen kann, glauben ebenfalls nur 39 Prozent der Befragten. 


Im August will der Arbeitsminister seine Regelsatzvorstellungen ins Kabinett einbringen, im Oktober sollen sie Bundestag und Bundesrat beschließen und im Januar 2021 sollen diese erneuten Armutssätze dann armselige Realität werden.
Weitere fünf Jahre soll damit eine Berechnungsweise zu den Regelsätzen fortgeführt werden, die von so gut wie allen Expert*innen, von so gut wie allen Sozial- und Wohlfahrtsverbänden und dem Deutschen Gewerkschaftsbund abgelehnt wird. Weitere fünf Jahre sollen die Hilfebedürftigen in Hartz IV und in der Grundsicherung für alte und erwerbsgeminderte Menschen auf Beträge verwiesen werden, die mit der Bedarfsrealität in Deutschland wirklich nichts zu tun haben, wie nicht nur Experten, sondern auch eine überwältigende Mehrheit in der Bevölkerung überzeugt ist. Weitere fünf Jahre soll mit dieser Berechnungsweise Armut amtlich festgeschrieben werden. 


Wir appellieren an den Bundesarbeitsminister und die gesamte Bundesregierung: Machen Sie diesem unwürdigen statistischen Spiel mit den Regelsätzen und der Armut endlich ein Ende. Verzichten Sie endlich auf ein Kleinrechnen der Regelsätze, auf das Kürzen und die Streichung von Ausgabepositionen, die vielleicht nicht für das nackte physische Überleben nötig sein mögen, wohl aber für etwas Chancengerechtigkeit und etwas Teilhabe an dieser Gesellschaft. 

Wir fordern konkret: 


  • Die saubere Neuberechnung der Regelsätze auf der Basis des gegebenen Statistikmodells ohne manipulative Eingriffe in die Statistik und ohne willkürliche Kürzungen und Streichungen einzelnen Ausgabepositionen, wie sie derzeit praktiziert werden.
  • Den Abgleich der Regelsätze mit der relativen Armutsgrenze von 60 Prozent des mittleren Einkommens. Bei Unterschreiten sind die Regelsätze entsprechend anzuheben.
  • Die sofortige Einsetzung einer vom Bundesarbeitsministerium unabhängigen Kommission mit dem Ziel der inhaltlichen Aufarbeitung der Frage, was Menschen in dieser Gesellschaft mindestens brauchen für ihren Lebensunterhalt incl. Einer angemessenen Teilhabe an dieser Gesellschaft. 
 Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt: Corona sucht seine Opfer vor allem unter den Armen. Es geht um Vorerkrankungen, um Wohn- und Arbeitsbedingungen, aber – mit Verlaub – auch um Geld. Geld, das bisher schon viel zu gering bemessen war, um über den Monat zu kommen, und das immer knapper wird angesichts z.T. geradezu sprunghaft angestiegener Lebensmittelpreise, zusätzlicher Kosten für Desinfektionsmittel und Schutzmasken und angesichts des Ausfalles von zusätzlichen Versorgungsangeboten wie der Tafeln und ähnliche wohlfahrtspflegerischer Einrichtungen. Dies scheint auch eine Mehrheit in der Bevölkerung so zu sehen: 56 Prozent sprachen sich in unserer Umfrage für zusätzliche finanzielle Hilfen für Grundsicherungsbezieher in diesem Corona-Zeiten aus. Nur ein Drittel lehnte dies ab. 

 Wir haben es begrüßt, dass die 300 Euro Kinderbonus, die im Rahmen des Konjunkturpaketes allen Kindern gewährt werden sollen, in Hartz IV anrechnungsfrei bleiben. Im Grunde eine Selbstverständlichkeit. Überhaupt kein Verständnis können wird jedoch dafür aufbringen, dass über fünf Millionen erwachsener Grundsicherungsbezieher keinerlei finanzielle Hilfen bekamen, obwohl gerade sie diese Krise häufig genug in echte existentielle Krisen führt. Es zeugt von bemerkenswerter armutspolitischer Ignoranz, wenn mit der Absenkung der Mehrwertsteuer 20 Milliarden Euro zur Stimulierung des Konsums bereitgestellt werden, wohlwissend, dass arme Menschen dabei so gut wie leer ausgehen. Gerade 8,20 Euro mehr Kaufkraft hat ein Grundsicherungsbezieher mit dieser Absenkung der Mehrwertsteuer im besten Fall in der Tasche. Wir fordern die Bundesregierung erneut auf: Tun Sie endlich auch etwas für die Ärmsten. Wir fordern 100 Euro Mehr sofort als Zuschlag auf die Grundsicherung.
...

https://www.katja-kipping.de/de/article/1764.bundesregierung-betreibt-politikverweigerung.html

https://www.gruene-bundestag.de/themen/soziales/gruene-garantiesicherung-statt-hartz-iv

...
Grundsicherung

Grüne Garantiesicherung statt Hartz IV


23.06.2020
  • Seit langem stehen die Hartz IV-Regelsätze in der Kritik. Vor allem die Methode zur Berechnung der Regelsatzhöhe hat zahlreiche Mängel, da die Bundesregierung etwa willkürlich einzelne Ausgabenpositionen herausstreicht und verdeckt arme Haushalte in die Berechnungen einbezieht.
  • Wir Grüne im Bundestag haben als erste Fraktion ein methodisch konsistentes Modell erarbeitet, auf dessen Basis Regelsätze berechnet werden, die tatsächlich existenzsichernd sind und Teilhabe für alle garantieren.
  • Für die Zeit der aktuellen Krise fordern wir einen Aufschlag auf die Regelsätze. Mittelfristig müssen die Regelsätze deutlich steigen.
 Die aktuelle Corona-Krise trifft uns alle, aber sie trifft uns nicht alle gleich hart. Wie ein großer Scheinwerfer hebt die Corona-Krise die sozialen Härten in unserem Land hervor. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie setzen Menschen und Familien mit geringem Einkommen und in prekären Beschäftigungsverhältnissen besonders unter Druck. Besonders die, die bereits vor der Krise in Armut gelebt haben, stehen vor erheblichen finanziellen Herausforderungen.


Soziale Sicherung stärken – in der Krise und darüber hinaus

Schon vor der Corona-Krise kompensierte die Grundsicherung in vielen Fällen nichtexistenzsichernde Löhne, geringe Honorare von Selbstständigen sowie Defizite bei den vorgelagerten Leistungen. Hartz IV ist zum Sammelbecken unterschiedlicher Notlagen geworden, auf die das bestehende System sozialer Sicherung bisher keine hinreichenden Antworten entwickelt hat.

 Diese außergewöhnliche Krise hat für viele Menschen innerhalb kürzester Zeit enorme Unsicherheit und Sorgen um die eigene wirtschaftliche Existenz gebracht. Wie selten zuvor kommt es darauf an, dass unsere sozialen Sicherungssysteme nun auch gut funktionieren. Doch besonders unsere Grundsicherung, umgangssprachlich Hartz IV genannt, steht in der Kritik. Leistungen sind nicht existenzsichernd und die Hilfen werden als stigmatisierend wahrgenommen.


Gesamtstrategie für Arbeits- und Sozialpolitik

Wir Grüne im Bundestag treten dafür ein, Hartz IV zu überwinden und durch eine Garantiesicherung zu ersetzen, die Menschen auf Augenhöhe unterstützt, ihre gesellschaftliche Teilhabe garantiert und in schwierigen Zeiten Sicherheit gibt.

Die Reform der Grundsicherung hin zu einer Grünen Garantiesicherung mit existenzsichernden Regelsätzen ist nur ein Teil unserer umfassenden Arbeits- und Sozialpolitik. Als grüne Bundestagsfraktion setzen wir auf eine umfassende Gesamtstrategie, die Arbeitsplätze schafft, sichert und faire Löhne garantiert. Oberstes Ziel muss sein, dass Menschen selbstbestimmt von ihrem selbst erwirtschafteten Einkommen leben können.

 Daher wollen wir den Mindestlohn auf 12 Euro anheben, das Tarifsystem sowie die vorgelagerten Sicherungssysteme stärken, indem wir eine Kindergrundsicherung einführen und das Wohngeld ausbauen. Zudem wollen wir die Weiterbildungsberatung verbessern und mit einem Weiterbildungsgeld dafür sorgen, dass Beschäftigte frühzeitig mit Blick auf ihre beruflichen Kompetenzen und Berufschancen gestärkt werden.


Teilhabe für alle garantieren, untere Einkommen entlasten, Regelsätze anheben

Mit all diesen Reformen setzen wir uns dafür ein, dass auf die Grund- oder Garantiesicherung nur angewiesen ist, wer sie absolut nötig hat. So entlasten wir zudem die Jobcenter, die sich damit stärker auf Unterstützung langzeitarbeitsloser Personen konzentrieren können. Mit einer verbesserten Garantiesicherung tragen wir zur Verringerung der Armut bei und heben untere und mittlere Einkommen durch die automatische Anhebung des Einkommensteuergrundfreibetrages an. Die Regelsatzerhöhung käme also nicht nur EmpfängerInnen von Grundsicherungsleistungen, sondern allen Beschäftigten zu Gute.


Berechnungsmethode der Bundesregierung in der Kritik

Im Zentrum der Kritik an der bestehenden Grundsicherung steht die Berechnungsmethode der Bundesregierung zur jährlichen Ermittlung der Hartz IV-Regelsätze. Diese Regelsätze befinden sich seit Jahren auf einem Niveau, das so niedrig liegt, dass es die tatsächlichen Bedarfe nicht deckt und an der Lebensrealität völlig vorbeigeht.

 Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Erstens nimmt die Bundesregierung bei der Berechnung der Regelsätze auch verdeckt arme Menschen in die Referenzgruppe und leitet den Regelsatz daraus ab. Und zweitens streicht sie willkürlich diverse Bedarfe bei der Berechnung heraus, die GrundsicherungsempfängerInnen angeblich nicht benötigen. So wird Menschen in Hartz IV etwa der Anspruch auf mobile Telefonie, Medikamente ohne Rezept oder einen Weihnachtsbaum gestrichen. So rechnet die Bundesregierung den Regelsatz politisch klein.


Regelsätze, die wirklich existenzsichernd sind und Teilhabe ermöglichen

Wir gehen einen anderen Weg als die Bundesregierung, indem wir bei unserer Berechnungsmethode verdeckt arme Menschen aus der Vergleichsgruppe herausrechnen und auf Streichungen einzelner Bedarfe verzichten. Außerdem orientieren wir uns bei den Berechnungen an dem Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den tatsächlich bestehenden Lebensbedingungen, wie es vom Bundesverfassungsgericht eingefordert wurde. Unser Ziel ist es, im Besonderen die Teilhabemöglichkeiten gegenüber dem Status Quo deutlich zu verbessern.

 Im Rahmen unseres Modells liegt der angestrebte Regelsatz für Erwachsene für das Jahr 2020 bei 603 Euro pro Monat inklusive Strom und weißer Ware. Außerdem wollen wir – bis die Kindergrundsicherung umgesetzt ist – die Kinderregelsätze - je nach Alter – auf einen Betrag von 306 bis 444 Euro anheben.


Corona-Aufschlag für die Regelsätze

Eine Anhebung der Regelsätze auf dieses Niveau  ist schrittweise möglich. Sie muss flankiert werden von einer Politik für gute Arbeit und faire Löhne sowie Maßnahmen gegen Kinderarmut, für ein besseres Wohngeld und eine Garantierente.

 Kurzfristig fordern wir die Bundesregierung auf, für die Zeit der Corona-Krise einen kurzfristigen Aufschlag von 100 Euro für Erwachsene und 60 Euro für Kinder in der Grundsicherung zu zahlen. So könnten GrundsicherungsempfängerInnen in der aktuellen Corona-Pandemie unterstützt werden.
...
 LG
Renate

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen