Mittwoch, 13. November 2019

Ein Interview mit jemand von der Treuhand

Er sagt, sowohl Linke als auch AfD verschleiern bewusst, dass das alte DDR-Wirtschaftssystem nicht funktionsfähig war

Also das ist ganz viel zu lesen und auch ab und zu nicht immer einfache Kost.

Trotzdem bringt es mal die Treuhand von einer komplett anderen Seite rüber als man das durch die Jammer-Ossis sonst immer so hört und bringt so finde ich auch gut auf den Tisch, dass die Linke drüben nie hat wahrhaben wollen, dass die DDR pleite war und sie einfach anders arbeiten mussten und so nicht weitermachen konnten, und zwar bis heute.

Und wie die AfD diese Auffassung für sich nutzt, obwohl die Leute ja teils da nicht doof sind und das natürlich in Wirklichkeit besser wissen . die nutzen nur die Faulheit der Leute aus, die lieber Parolen lesen als sich endlich mal schlau zu machen, was in dem Land, dessen Mauer sie selbst eingerissen haben, eigentlich los war damals.

Textpassagen siehe unten .. Link bitte sonst ganz alleine durchlesen.


Treuhand-Funktionär Scheunert "Der Jammer-Ossi ging mir maßlos auf die Nerven"

Er war der einzige Ostdeutsche zwischen lauter West-Managern: Detlef Scheunert trieb als Treuhand-Direktor Verkauf und Schließung alter DDR-Betriebe voran - und galt seinen Bekannten deshalb bald als Kollaborateur. 
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Als nach der Wende aus Planwirtschaft Marktwirtschaft werden sollte, war Detlef Scheunert das Bindeglied zwischen zwei einander fremden Systemen. Als einziger Ostdeutscher rückte er auf in den Vorstand der Treuhand, ein junger Mann aus Sachsen zwischen jovialen Managern aus den Chefetagen westdeutscher Konzerne. Sie suchten Käufer für mehr als 8000 DDR-Betriebe.
Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder wollte damit eigentlich noch 600 Milliarden D-Mark erlösen. Scheunert wusste es besser, weil er die maroden Betriebe kannte. Als junger Funktionär eines DDR-Ministeriums hatte er Ende der Achtzigerjahre Industriebetriebe abgeklappert. Je weiter entfernt sie von Berlin lagen, desto desolater waren sie.
Scheunert sagt, der Osten habe den Westen an der Nase herumgeführt mit der Legende, die DDR sei weltweit Wirtschaftsmacht Nummer zehn. Am Ende machte die Treuhand mehr als 200 Milliarden D-Mark Verlust.
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Der junge Privatisierer von damals ist heute 59. Er wohnt in einem Einfamilienhaus in Gütersloh, etwa 450 Kilometer westlich seiner sächsischen Heimat. Ab Mitte der Neunzigerjahre hat er Karriere gemacht im Umfeld des Bertelsmann-Konzerns. Ein Angebot aus Estland, die Privatisierung in der ehemaligen Sowjetrepublik zu begleiten, hat er ausgeschlagen. Es höre sich aus seinem Mund vielleicht etwas merkwürdig an, aber er habe "auch nicht weiter nach Osten, sondern immer nach Westen" gewollt.
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 Also ab jetzt nur ganz sporadisch und wichtige Dinge auszugsweise .. bitte unbedingt um das wirklich zu verfolgen, selbst lesen !!!!
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SPIEGEL: Was lief da?
Scheunert: Die hatten den Auftrag zu verwalten, den Betrieben zu helfen - das waren ihre Schutzbefohlenen. Privatisierung stand nicht im Fokus. Der Staat sollte weiter die Obhut haben und der Westen sollte bezahlen.
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SPIEGEL: Sie waren mit 30 Jahren ein Jungspund im Vergleich zu den überwiegend älteren West-Kollegen. Haben die Sie überhaupt für voll genommen?
Scheunert: Eingeschränkt. Die Treuhänder, die ganz am Anfang da waren, die sogenannten One-Dollar-Leute, haben das mit Sympathie betrachtet und gesagt: Klasse, dass du dich dem stellst. Bei einer dummen Frage haben die nicht gelacht. Die nächste Generation, die aus der zweiten, dritten Reihe, die im Osten eine Karrierechance gesehen haben, und die, die es im Westen karriereseitig vergeigt hatten, haben nicht zugehört und sich auch nicht von mir beraten lassen.
SPIEGEL: Als Sie am 1. September 1990 zur Treuhand gingen, waren der Organisation rund 8500 Betriebe unterstellt.
Scheunert: Das war keine Organisation! Das war ein sich aufblasendes Etwas, das erst dabei war, eine Organisation zu werden. Die Treuhand war aufgebaut auf den Trümmern der DDR, befand sich im ehemaligen Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik. Die obersten Etagen waren nicht mal renoviert. Wenn jemand ein Büro brauchte, sah das aus wie in den Fünfzigerjahren - kein Telefon, kein nix. Der musste erst mal einen Handwerker finden, der ihm die Bude renovierte. Das wurde alles just in time gemacht.
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SPIEGEL: Das alles ist jetzt 30 Jahre her, aber die Treuhand polarisiert noch immer. Wundert es Sie, dass Linke und AfD unisono einen Untersuchungsausschuss fordern?
Scheunert: Ich finde den Gleichklang der Argumentation bemerkenswert. Wenn ich Dietmar Bartsch und Björn Höcke fast wortgleich Forderungen stellen höre, weiß ich nicht, ob Bartsch sich überlegt hat, mit wem er im Gleichklang ist. Die Legendenbildung, die von AfD und Linke weitergetrieben wird, trägt zur Polarisierung der Gesellschaft bei - gerade in Ostdeutschland. In Thüringen haben 54 Prozent Linke und AfD gewählt - da muss man sich überlegen, was sich in den vergangenen 30 Jahren in den Köpfen festgesetzt hat.
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SPIEGEL: Brauchen wir einen Treuhand-Untersuchungsausschuss, um vielleicht auch mal mit dem Thema abzuschließen?
Scheunert: Das ist hochgradiger politischer Populismus von AfD und Linken, es ist Geschichtsklitterung. Die Linken sind die politischen Nachfolger der SED, und die hat das Wirtschaftsmodell an die Wand gefahren. Es war ein moralischer, vor allem aber ein wirtschaftlicher Konkurs. 70 Jahre Sowjetsozialismus, 40 Jahre DDR-Sozialismus waren am Ende. Öffentliche Beteiligung war so was von out, niemand wollte das. Es war ein Triumph der Marktwirtschaft.
SPIEGEL: Bartsch argumentiert mit dem von der Treuhand angerichteten Schaden. Der sei "bis heute eine wesentliche Ursache für den ökonomischen Rückstand des Ostens und für politischen Frust".
Scheunert: Dass heute im Osten kein Dax-Unternehmen ist, ist historisch begründet. Wie lange hat Daimler zu seiner Stärke gebraucht? 100 Jahre! BMW? 50 Jahre. Hier in Gütersloh gibt es Bertelsmann - 70 Jahre. Das wird Generationen dauern. Kohls blühende Landschaften sind im Osten in der Infrastruktur entstanden. Was hätten wir 1990 machen sollen? Hätten wir die Kombinate mit Steuergeld in Konzernzentralen umwandeln sollen?
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Scheunert: Höcke hat sich vor der Thüringenwahl hingestellt und gesagt, das Leid in Ostdeutschland nach der Wende hat einen Namen - Treuhandanstalt. Was für ein Demagoge!
SPIEGEL: Noch einmal zur damaligen Strategie. Die Treuhand hat Betriebe in Serie abgewickelt. Hätte mehr Zeit helfen können, um mehr Unternehmen zu retten?
Scheunert: Das ist eine akademische Betrachtung. Der Druck von der Straße war zu hoch. Die Menschen waren wie Verdurstende in der Wüste. Sie wollten alles auf einmal haben, obwohl sie gespürt haben, dass das unrealistisch ist. Nur weil sie im Osten aufgewachsen sind, waren sie ja nicht doof. Man hat sich gegenseitig gepusht und was riskiert, war auf die Straße gegangen, hatte sich mit dem System auseinandergesetzt - jetzt wollte man die Dividende. Kohl hatte die D-Mark geliefert.
SPIEGEL: Sie waren ein gutes halbes Jahr dabei, als Treuhand-Chef Detlev Rohwedder Ostermontag 1991 von der RAF erschossen wurde. Haben Sie überlegt, ob Sie in den Sack hauen?
Scheunert: Klar habe ich das überlegt. Ich war frustriert. Mein Vater war alt, meine Minister hatten sich in Staub aufgelöst, und ich war in einem Alter, wo ich Orientierung gesucht habe. In Rohwedder habe ich eine Persönlichkeit gesehen, das war für mich ein Typ, der Integrations- und Motivationskraft hatte. Das war uneingeschränkt die Persönlichkeit, die den Laden geführt hat. Er war der Schutzpatron - und dann war er weg. Rohwedder hatte den Dortmunder Stahlkonzern Hoesch erfolgreich saniert, der hätte da warm und trocken bis zur Rente sitzen können.
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SPIEGEL: Hatten Sie Angst?
Scheunert: Ja, ich habe abends schon über die Schulter geguckt, wer hinter mir geht. Da liefen viele Frustrierte durch die Gegend. Privat im Freundeskreis bin ich sehr zurückhaltend geworden.
SPIEGEL: Mussten Sie sich rechtfertigen, weil Sie bei der Treuhand waren?
Scheunert: Na klar. Ich war Kollaborateur, weil ich mit den Besatzern gesprochen habe.
SPIEGEL: Wäre es mit Ihrer Biografie nicht Ihre Aufgabe gewesen, bei den westdeutschen Treuhand-Managern für den ostdeutschen Blick zu werben?
Scheunert: Das habe ich damals selbst so nicht empfunden. Ich habe mich für Volkswirtschaft interessiert, Hayek gelesen, später von Schumpeters Konzept der schöpferischen Zerstörung. Der Jammer-Ossi kam auf und dieses Gejammere ging mir maßlos auf die Nerven. Ich war für diese schöpferische Zerstörung. Man musste die alten Männer nach Hause schicken.
SPIEGEL: Sind Sie heute mit sich im Reinen, dass die schöpferische Zerstörung richtig war?
Scheunert: Ich war damals wie heute der Überzeugung, dass die Orientierung an der Marktwirtschaft richtig ist, weil ich die persönliche Freiheit der Menschen gesehen habe und fest davon überzeugt bin, dass Privateigentum die Grundlage von effizientem Wirtschaften ist. Ich halte wenig von Staatsbeteiligung. Der Osten, diese kleine DDR, war schon eine komische Gesellschaft. Geführt von Dilettanten, die aus ihrer Jugend heraus eine faszinierende Idee entwickelt hatten. Und dann haben sie das so vermurkst, weil sie an alten Dogmen festgehalten haben.
SPIEGEL: Gibt es etwas, das Sie bedauern?
Scheunert: Ich hätte mir von westlicher Seite Wirtschaftsförderung im Sinne von Unternehmensgründungen gewünscht. Die Bereitschaft zur Initiative war da, aber die Kompetenz fehlte. Es gab viele kleine Gründungen, die alle Pleite gemacht haben, weil sie keine Ahnung hatten
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 Scheunert: Ostdeutsche Unternehmer, die sich einen Wessi als Marketingmann oder Controller geholt haben, waren erfolgreich - weil der eine andere Ausbildung hatte. Ich hätte mir mehr Eigenverantwortung im Osten und eine wirtschaftliche Sonderzone für ein paar Jahre gewünscht, die Unternehmensgründungen leichter gemacht hätten. Im Osten waren kleine unternehmerische Pflänzchen entstanden, und dann wurde der Riesenbürokratieklotz draufgestülpt. Der konnte getragen werden von der hoch entwickelten westdeutschen Wirtschaft, aber nicht von den damals jungen und noch schwachen ostdeutschen Unternehmen.
SPIEGEL: Sie haben durchgepflügt.
Scheunert: Im Prinzip haben wir den Job gemacht, den die SED jahrzehntelang versäumt hat. Die Betriebe waren überbesetzt und die Umstellung auf die Marktwirtschaft hat einen Produktivitätsschub per se gefordert. Die Treuhand hat damit begonnen. Alles nicht Betriebsnotwendige wurde abgespalten - Polikliniken, Militärsachen, Kindergärten. Wir mussten viele Gesetze berücksichtigen, das war ja nicht nur das Treuhandgesetz. Und da stand nicht drin: Was macht das mit den Menschen in Ostdeutschland, was mit der Region? Das war nicht unser Auftrag.
SPIEGEL: Führungskräfte mit wendebedingten Brüchen und Erfahrungen könnten an vielen Stellen wertvoll für die Wirtschaft sein, denn sie haben einen anderen Blick und betrachten Veränderung nicht als Bedrohung. Jedoch besetzen Ostdeutsche nur knapp zwei Prozent der Spitzenpositionen in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Medien. Wie sehr frustriert das die Menschen in den neuen Ländern?
Scheunert: Ich war darüber am Ende der Treuhand auch frustriert. Dass das heute noch so ist, ist schwer zu erklären. Viele Ostdeutsche haben in den großen Unternehmen, der Politik und Verwaltung keine Netzwerke und sind einfach nicht ganz nach oben gekommen. Erst dann zieht man jemanden nach. Es gab im Osten damals keine Förderprogramme für Führungskräfte, und sie sind bis heute nicht etabliert.
SPIEGEL: Könnte eine Ostquote helfen?
Scheunert: Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Die Frauenquote funktioniert ja auch nicht.
SPIEGEL: Warum nicht?
Scheunert: In Parteien mag das klappen. Aber wenn jemand durch eine Quote in eine Unternehmensposition kommt, hat der einen Spießrutenlauf vor sich, der hat es ganz schwer. Die, die nicht zum Zuge kommen, werden dafür sorgen, dass er oder sie scheitert.
SPIEGEL: Verstehen Sie sich eigentlich als Ostdeutscher oder als Westdeutscher?
Scheunert: Weder noch. Ich habe meine Jugend in Ostdeutschland erlebt und die Zeit zwischen 30 und 60 im Westen. Natürlich habe ich im Innern eine Affinität zu meinen Wurzeln, ich lese die "Sächsische Zeitung" und höre den MDR, aber ich nehme genauso am Leben hier teil, zum Beispiel im Lions Club.
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Tja ... also selbst alles lesen ist in meinen Augen sehr interessant, wie gesagt.
 
LG
Renate

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