Mittwoch, 30. Oktober 2019

Soziologisches über die lauthalse Minderheit der Jammer-Ossis

... die nicht für den typischen Ossi steht, sondern es nur gut versteht, laut zu brüllen

Der Text. den ich schon vor dem katastrophalen Ergebnis der Landtagswahl in Thüringen gefunden hatte und den ich mir zum Überarbeiten da schonmal abgelegt  hatte, passt super zu vielen Aussagen, die mir inzwischen über die Diskussionen vieler Leute aus den neuen Bundesländern begegnet sind.

Natürlich sind viele Leute auch im Osten Deutschlands schockiert, dass ein ehemaliges DDR-Bundesland nach dem anderen so wählt wie wir das gerade erleben.

Und immer wieder lese ich bezüglich der Kritik der ja durchaus mitdenkenden Bevölkerungsschichten dort, die auch bisher ja noch eine Mehrheit sind, die meisten AfD-Wähler würden das Wahlprogramm dieser Partei nie gelesen haben, die hätten auch keine Ahnung, was ihnen blühen würde, wenn diese Partei tatsächlich eine Mehrheit kriegen würde .. und sie wären vermutlich die ersten, die dann wieder laut schreien würden, oh Gott, was man ihnen nur antäte.

Denn die meisten Leute, die diese Partei in den Himmel heben, sind absolute Loser vor dem Herrn. Die können nichts, die wissen nichts, die hatten nie Erfolg im Leben, die sind aber auch meistens viel zu träge oder zu dumm, um überhaupt einen so langen Text wie ein Wahlprogramm zu lesen, sich schlau zu machen, was diese Partei eigentlich will und ob es ihnen persönlich als absoluten Nichtskönnern überhaupt Vorteile oder gar Nachteile brächte. Die schaffen das oft mangels der Fähigkeit, sich länger konzentrieren zu können, ja nichtmal mit der Version in leichter Sprache.

Und zuhören können oder wollen die genauso wenig. Versucht man, denen liebevoll klarzumachen, dass sie sich selbst schaden würden, weil rechtsradikale Parteien noch nie den Menschen nützlich gewesen sind, die für die Gesellschaft genau genommen nicht zu gebrauchen sind, weil sie von nichts Ahnung haben und nur durchgefüttert werden müssen, sie hören gar nicht erst zu. Sie wollen es entweder nicht hören und machen die Horchlöffel dicht, weil sie sich angegriffen fühlen in ihrer eigenen Unfähigkeit oder sie können es auch nicht verstehen, weil selbst dazu ihr Spatzengehirn nicht ausreicht.

Es gibt nicht viele AfD- oder gar NPD-Wähler hier in unserer Region, weil der Norden noch nie rechtsradikal war, aber die, die es hier gibt, passen genau in dieses Schema.

Die können nichts, die wissen nichts, die können weder richtig lesen noch sind sie in der Lage, einem zuzuhören und begreifen gar nicht, dass sie keine Vorteilen hätten, wenn eine rechtsradikale Partei dran käme, sie hoffen das nur, warum auch immer.

Sie meinen, wenn man den Ausländern weniger Geld gäbe, dann würden sie mehr kriegen, so ist eigentlich der einfache Rückschluss, so denken alle die, die ich hier aus meinem persönlichen Umfeld kenne.

Und genau das gleiche ist mir jetzt vielfach in den Facebook-Diskussion aus Ostdeutschland begegnet, nur dass es da mehr Menschen sind, die so reagieren als hier. Aber auch dort werden die Fans dieser Partei als eher dumm, unfähig, lesefaul und nicht in der Lage, auch nur mal zuzuhören, beschrieben.

Insofern passt der Text, den ich fand, ganz gut ins Bild und daraus möchte ich deshalb mal wieder ein wenig zitieren.


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Außer Klagen nichts zu sagen? 
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Was am Opferdiskurs der Ostdeutschen falsch ist


Die meisten Ostdeutschen sind zufrieden, das geht im 30-Jahre-Wende-Gejammer unter. Eine interessierte Minderheit betreibt diese Opferdebatte
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 n diesen Tagen werden wieder und wieder Verlustrechnungen aufgemacht, in denen die Ostdeutschen als die Benachteiligten der Einheit dastehen – vor allem von ostdeutschen Intellektuellen. Manche bezeichnen den Einigungsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik als „bedingungslose Kapitulation“. Andere inszenieren Ostdeutschland als das „Land der kleinen Leute“ ohne eigene Stimme und ohne soziale Anerkennung.
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 Nach drei Jahrzehnten deutscher Einheit scheinen die Wortführer des Ostens vor allem eines gelernt zu haben, wie man sich öffentlichkeitswirksam über eine vermeintliche Dauermisere beklagen und dabei dem Westen weitgehendes Versagen unterstellen kann. Manch einer vermag dabei den „Jammerossi“ sogar noch als Klischee der Westdeutschen auszulagern, von dem sich diese nun endlich einmal lösen sollten. 
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 Kaum ein westlicher Akteur wagt noch, diesem Opferdiskurs selbstbewusst entgegenzutreten. Er möchte dem naheliegenden Verdacht, dem westdeutschen Überlegenheitsgestus verfallen zu sein, keine neue Nahrung geben. Also werden die Ostdeutschen in ihrem Klagemodus derzeit jovial bestärkt. So etwa wenn jetzt von staatstragender Seite die Deutschen in Ost und West dazu angehalten werden, 30 Jahre nach dem Mauerfall „einen ganz neuen Solidarpakt“ zu schließen, einen "Solidarpakt der Wertschätzung". 
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Nach den schockierenden Wahlerfolgen der AfD im Osten kümmert sich nun jedermann um die Abgehängten im Osten, nicht nur der Bundespräsident, sondern auch die Parteien, das öffentlich-rechtliche Fernsehen, die Tages- und Wochenzeitungen landauf landab. Die Ostdeutschen liegen auf der Couch und lassen sich die verletzte Seele streicheln.


Was ist falsch an diesem Opferdiskurs? 


Vor allem dies, dass er die Mehrheit der Ostdeutschen außer Acht lässt. Denn diese Mehrheit bekennt, dass sie zufrieden mit ihrem Leben ist, dass es ihr heute besser geht als vor 30 Jahren, dass sie sich sozial anerkannt fühlt. Und sie wählt nicht rechtspopulistisch. 
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Der für die Bundesrepublik repräsentativen Langzeitstudie Sozio-ökonomisches Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin zufolge nähern sich die Zufriedenheitswerte der Ostdeutschen in den vergangenen drei Jahrzehnten denen der Westdeutschen immer mehr an. Auf einer Skala von 0 (= ganz und gar unzufrieden) bis 10 (= ganz und gar zufrieden) bewerten die westdeutschen Bundesbürger ihre subjektive Lebenszufriedenheit heute durchschnittlich mit einem Wert von 7,6, die ostdeutschen mit einem Wert von 7,35. Zwei Drittel der Ostdeutschen stimmen der Aussage zu, die Wiedervereinigung habe für die Bürger in den neuen Bundesländern mehr Vorteile als Nachteile gebracht. So die Ergebnisse der von Soziologen als äußerst zuverlässig eingeschätzten Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (Allbus) von 2018.

Ost und West sind ungefähr gleich zufrieden

Und eine Sonderstichprobe des bereits erwähnten SOEP kommt zu dem Ergebnis, dass es, was das Maß der berichteten Wert- und Geringschätzung angeht, zwischen Ost und West keine signifikanten Unterschiede gibt. 
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 Fragt man die Menschen, ob sie die Demokratie für eine gute Regierungsform halten, so bejahen diese Frage 83 Prozent der Ostdeutschen. In den alten Bundesländern sind es 90 Prozent, so die Daten der Bertelsmann-Stiftung von 2017. Selbst mit der Marktwirtschaft, denen die Ostdeutschen ihr trauriges Schicksal doch vor allem zuschreiben müssen, sind im Osten immer mehr Menschen zufrieden. 
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 Das Problem ist also, könnte man sagen, nicht der Osten, sondern die wahrgenommene und noch immer bestehende Überlegenheit des Westens. Selbst die selbstbewussten Sachsen denken zwar zu 90 Prozent, dass man auf das, was man in Sachsen seit 1989 erreicht hat, stolz sein kann, und 70 Prozent schätzen die wirtschaftliche Lage in Sachsen als die beste Ostdeutschlands ein und sogar 75 Prozent als besser als in den Ländern Osteuropas, aber im Vergleich zu den Bewohnern der westdeutschen Bundesländer empfinden jedoch nur noch neun Prozent die Situation in Sachsen als besser (Sachsen-Monitor).
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 Hinzu kommt, dass man das, was es an Erfolgen im Osten gibt, zum großen Teil nur mit westlicher Hilfe erreichen konnte. 2,3 Billionen Euro sind in den Jahren seit der Herstellung der deutschen Einheit von West nach Ost geflossen. Der erreichte Wohlstand ist in einem nicht unbeträchtlichem Ausmaß ein geschenkter. Die Ostdeutschen wissen, dass sie ihn nur zu einem Teil den eigenen Anstrengungen verdanken. Wenn man die ostdeutschen Regionen außerhalb der Großstädte besucht, sieht man auf den ersten Blick, dass sich viele von ihnen in den durchsanierten Städten und Gemeinden wie Fremdkörper bewegen, die das, was sie an glänzenden Stahl-, Glas- und Betonkonstruktionen umgibt, nicht als ihr Eigenes erkennen – sofern sie denn überhaupt außer Haus gehen und nicht im Privaten bleiben.
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Die ostdeutschen Intellektuellen, die die Kolonialisierung des Ostens beschwören, gehen an der Lebenslage der Mehrheit ihrer Landsleute vorbei und machen sich zum Sprachrohr von denjenigen, denen sie doch wohl eher mit Ablehnung gegenüberstehen. Eine Minderheit der Ostdeutschen hat es verstanden, sich zum Opfer der deutschen Einheit zu stilisieren und mit seinem Wahlverhalten Berücksichtigung einzuklagen. Wählte ein Großteil von ihnen erst die Linke, um die westlichen Eliten herauszufordern, so meint sie jetzt, in der AfD einen noch wirksameren Proponenten ihrer Anliegen gefunden zu haben. 

Der gemeine Ossi ist wendig, und er ist dreist. Er hat es geschafft, der westlichen Elite ein schlechtes Gewissen zu verschaffen. Sein Verhalten, auch sein Wahlverhalten ist taktisch und instrumentell, und es ist durchschaubar. Mit seinem Protest will er sich zu unserem Problem machen.

Wir müssen diesen Protest ernstnehmen, aber uns von ihm nicht instrumentalisieren lassen. Wir sollten nicht den Klagegesang einer Minderheit bedienen und uns als ihr verlängertes Sprachrohr missbrauchen lassen, indem wir den Ossi als ein benachteiligtes und entmündigtes Wesen porträtieren, dem die Anerkennung verweigert wird.
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 Ja, wir sind übernommen worden, aber können wir darüber nicht einfach nur froh sein, dass der Westen diese Last auf sich genommen hat?
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 Als Ostdeutscher zu einer Gruppe zu gehören, die als ewig klagende Gemeinschaft der zu Kurz-Gekommenen Aufmerksamkeit und Berücksichtigung erzwingen will – das nervt, wie vielleicht der gemeine Wessi sagen würde. 
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 Tja .. ein feiner Text, nicht?

Mir gefällt das.

LG
Renate

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