Dienstag, 11. Dezember 2018

Wie beim man Aufstocken durch Arbeit weniger Geld als ohne Arbeit haben kann

Ein Text mit schönen Rechenbeispielen der heutigen Realität


Und warum das dringend mal überdacht werden müsste.

Nichts ist wahrer als dieser Text, was jeder weiß, der schon länger sein Einkommen über ALG II aufstockt und sicher in der Anfangszeit auch versucht haben wird, mehr zu verdienen, dann aber die Erfahrung gemacht hat, wie schnell es dann passiert, dass man gerade durch die Mehrarbeit weit unter den eigentlichen Regelsatz rutschen kann.

Jürgen und ich haben das selbst auch erlebt und uns schon mit vielen Leuten unter den unterschiedlichsten Hartz-IV-Aufstocker-Konstellationen darüber unterhalten, dass es auch in unserem unmittelbaren Umfeld anderen oft genauso geht.

Unten in dem Text sind tolle Beispiele drin .. es lohnt sich, den mal zu lesen, um viel besser zu verstehen, warum Hartz IV dringend geändert werden müsste, und das auch nicht nur wegen der Schikanen und Sanktionen, sondern auch deshalb, weil die Freibetragsgrenzen und Absetzmöglichkeiten für Werbungskosten und vieles mehr dringend einer Reform bedürften.

Ich kopiere wieder ein paar Zitate raus .. Rest dann mal selbst lesen.

https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-11/hartz-iv-andreas-peichl-sozialsystem-arbeitslosengeld-transferleistungen-reform

 Hartz IV hält Menschen von Arbeit fern, sagt Ökonom Andreas Peichl. Weil Zuverdienste unattraktiv seien, entständen nur Minijobs, von denen der Sozialstaat nichts habe. 
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13 Jahre nach Einführung diskutiert die Politik wieder einmal lebhaft über Hartz IV. Soll der Staat Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich ein Grundeinkommen gewähren, ohne zu prüfen, ob sie tatsächlich bedürftig sind? Andreas Peichl leitet das Ifo-Zentrum für Makroökonomik in München und analysiert die Folgewirkungen von Hartz IV. 
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ZEIT ONLINE: Herr Peichl, die Grünen und die SPD haben erklärt, sie wollen Hartz IV überwinden. Die FDP will ein liberales Bürgergeld, selbst die CDU denkt über eine generelle Reformierung nach. Schleicht sich jetzt das Grundeinkommen in Hartz IV ein?  
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ZEIT ONLINE: Wer Steuern zahlt, will nicht, dass andere faul in der sozialen Hängematte liegen?  


Peichl: Anscheinend ist das so. Problematisch ist, dass viele Jahre lang genau dieses Menschenbild propagiert worden ist. Dabei stimmt das nicht. Die Sanktionsquote liegt bei etwa drei Prozent, zeigt die Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Die wenigsten Hartz-IV-Bezieher sind faul oder nicht an Arbeit interessiert. Das Gegenteil ist der Fall: Die meisten Menschen wollen arbeiten. Aber das heutige System verhindert das. 


ZEIT ONLINE: Warum?

Peichl: Empfängerinnen und Empfänger von Transferleistungen werden für zusätzlich verdientes Geld bestraft. Denn Leistungen aus der Grundsicherung werden ebenso wie das Wohngeld und der Kinderzuschlag mit steigendem Einkommen abgeschmolzen oder ganz gestrichen. Zugleich fallen mit eigenem Lohn sehr schnell Steuern und Sozialabgaben an. Rechnet man beides zusammen, die Abgaben und die Kürzung von Sozialleistungen, überschreitet die Grenzbelastung – das ist der Teil des zusätzlichen Einkommens, der an den Staat abgegeben werden muss – die 100-Prozent-Marke. Zum Vergleich: Der Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer beträgt inklusive Soli gut 44 Prozent. Davon können Transferbezieher nur träumen. 
 Und so kommt es zu der widersinnigen Situation, dass, obwohl zusätzliches Geld verdient wird, einkommensschwache Familien weniger Netto vom Brutto in der Tasche haben, als wenn sie ganz auf Arbeit verzichten und nur von Sozialleistungen leben würden. 
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ZEIT ONLINE: Sie haben diese Grenzbelastung in verschiedenen Simulationsrechnungen genau ermittelt. Was haben Sie dabei festgestellt?
Peichl: Dass es bestimmte Sprungstellen gibt, bei denen die Grenzbelastung in der Spitze sogar bei über 250 Prozent liegt. Wir haben beispielhaft durchgerechnet, wie sich die heutigen Transferentzugsraten auf eine Alleinerziehende mit zwei Kindern auswirken. Solange sie Hartz IV bezieht, kann sie bis zu 100 Euro im Monat hinzuverdienen. Darüber hinaus darf sie von jedem zusätzlichen Euro aber nur 20 Prozent, also 20 Cent, behalten. Das entspricht einer Grenzbelastung von 80 Prozent. Diese steigt mit jedem weiteren Euro an. Wenn sie mit einer Teilzeitbeschäftigung auf ein Einkommen von 1.700 bis 2.350 Euro brutto im Monat kommt, sinkt ihr Nettoeinkommen so stark, dass sie weniger Geld in der Tasche hat, als wenn sie gar nicht arbeiten ginge. 
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ZEIT ONLINE: Sie haben diese Grenzbelastung in verschiedenen Simulationsrechnungen genau ermittelt. Was haben Sie dabei festgestellt?
Peichl: Dass es bestimmte Sprungstellen gibt, bei denen die Grenzbelastung in der Spitze sogar bei über 250 Prozent liegt. Wir haben beispielhaft durchgerechnet, wie sich die heutigen Transferentzugsraten auf eine Alleinerziehende mit zwei Kindern auswirken. Solange sie Hartz IV bezieht, kann sie bis zu 100 Euro im Monat hinzuverdienen. Darüber hinaus darf sie von jedem zusätzlichen Euro aber nur 20 Prozent, also 20 Cent, behalten. Das entspricht einer Grenzbelastung von 80 Prozent. Diese steigt mit jedem weiteren Euro an. Wenn sie mit einer Teilzeitbeschäftigung auf ein Einkommen von 1.700 bis 2.350 Euro brutto im Monat kommt, sinkt ihr Nettoeinkommen so stark, dass sie weniger Geld in der Tasche hat, als wenn sie gar nicht arbeiten ginge.  
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ZEIT ONLINE: Und was ist, wenn man Hartz IV einfach abschaffen würde? Gäbe es dann diese Probleme nicht mehr?

Peichl: Nein, das Problem mit den Transferentzugsraten wurde durch Hartz IV nur verschärft. Schon Anfang der 2000er-Jahre hat der ehemalige Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn in einer Modellrechnung gezeigt, wie sich das damalige Lohnersatzsystem für eine vierköpfige Familie mit niedrigem Einkommen auswirkte. Seine Rechnung visualisierte er in einer Grafik, die eine sehr steile Kurve zeigte, ähnlich der Grenzbelastungsproblematik heute. Er nannte dieses Problem die Eiger-Nordwand. Schon damals wurden Sozialleistungen mit steigendem eigenem Einkommen aufgefressen, schon damals kam es zu einer überproportional hohen Belastung für Familien mit niedrigem Einkommen durch Steuern und Sozialabgaben. Dieser Umverteilungskampf ist ein Grundproblem für Einkommensschwache in einem Sozialstaat. 
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LG
Renate

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