Die Pflege wurde damals ohne Einschränkung vom Staat bezahlt
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Meine Großeltern, meine Mama und ich früher .. meine Oma wurde mit ca. Mitte 60 nach einem Schlaganfall zum Pflegefall. |
Also ich habe ich bisher noch nie ausführlich damit beschäftigt, wie das mit der Bezahlung der Kosten für die Pflege eigentlich vor 1995, also vor Einführung der Pflegeversicherung war.
Ich erinnere mich wie gesagt, da ich damals noch ein Kind beziehungweise später Teenager war, dass meine Oma ein Pflegefall war, die nach einem 1. Schlaganfall zunächst 7 Jahre nur dement, aber körperlich ausgesprochen fit und sehr aufsichtsintensiv war, weil sie uns laufend weggelaufen ist ... wie ein Kleinkind, das sehr schnell laufen konnte und nur Blödsinn im Kopf hatte.
Ich weiß, dass meine Mutter deshalb zu Hause auf sie aufgepasst hat und deshalb auch irgendwas an Geld soweit ich mich entsinne vom örtlichen Sozialamt bekommen hat.
Dann hatte meine Oma einen 2. Schlaganfall, der sehr schlimm war. Sie hat den auch nur einige Wochen überlebt. Meine Mama hob sich damals einen Leistenbruch und konnte Oma nicht mehr in die Badewanne transportieren und dergleichen. Ich war mit meinem 1. Kind hochschwanger und konnte das deshalb auch nicht.
Wir haben damals zusätzlich ohne Probleme sofort nur über die Aktivitäten unseres Hausarztes eine zusätzliche Pflegehilfe bekommen, die in den letzten Wochen des Lebens meiner Oma 2 x täglich kam, um uns ergänzend zu helfen.
Es gab keine Pflegestufen, keine Einteilungen, wie lange welche Pflegeaktivitäten dauern durften, nichts dergleichen .. und Demenz wurde damals ohne Probleme als Pflegefall anerkannt, und zwar auch ohne irgendwelche Einschränkungen so, wie Demenz eben war .. sehr pflegeaufwendig.
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Nun war ich mal nachsehen, wie das gesetzlich eigentlich ausschaut. Es ist nicht ganz einfach, etwas darüber zu finden.
Ein erster Link ist dieser hier:
Daraus mal folgendes, das leider sehr ungenau zusammengefasst ist:
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Die Situation vor 1995
Einführung Pflegeversicherung 1995
Die Pflegeversicherung bildete die letzte Säule der
Sozialversicherung. Bevor sie im Jahr 1995 eingeführt wurde, übernahm
der Staat sämtliche Kosten für die Pflege, sofern erforderlich. Mit dem
medizinischen Fortschritt wurde es jedoch möglich, dass der Mensch immer
älter wurde und dementsprechend auch eine Pflege nach der regulären
Arbeitsphase erforderlich. Zudem die Zahl der pflegebedürftigen Menschen
seitdem rapide zugenommen hat. Daher wurde die eine geeignete Vorsorge
unabdingbar, die 1995 unter dem Namen Pflegeversicherung eingeführt
wurde.
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Daraus:
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Historische Entwicklung und Einordnung
Mit der gestiegenen
Lebenserwartung
vor allem seit Mitte des 20. Jahrhunderts haben auch die Anzahl der
Pflegebedürftigen und die Dauer der Pflegebedürftigkeit der Versicherten
zugenommen. Um die Kosten der Langzeitpflege tragen zu können, mussten
Betroffene Anfang der 1980er Jahre häufiger als früher
Sozialhilfe beantragen.
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Daraus .. klingt negativ, sagt aber aus, wenn das Geld nicht reichte, sprang früher in vollem Umfang die Sozialhilfe bei den Pflegekosten ein:
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"Noch vor 20 Jahren waren zwei Drittel der Pflegebedürftigen in
Pflegeheimen auf Sozialhilfe angewiesen. Dank der Pflegeversicherung
kommen heute mehr als zwei Drittel der Pflegebedürftigen in den
Pflegeheimen ohne Sozialhilfe aus", so Bundesgesundheitsminister Hermann
Gröhe. Denn bevor die Pflegeversicherung eingeführt wurde, musste alle
in Anspruch genommene Hilfe selbst bezahlt werden. Wer das nicht konnte,
war auf Sozialhilfe angewiesen.
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So .. und genau das meine ich, warum die Pflegesituation nach Einführung der Pflegeversicherung in vielen Fällen schlechter wurde als sie vorher war:
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Siehe Textausschnitt .. mehr sonst noch im o. a. Link:
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Ziel des Reformgesetzes war und ist es, eine langfristige Absicherung
bei Pflegebedürftigkeit zu erreichen und eine breit angelegte
Entlastung für pflegende Angehörige zu schaffen, die den Erhalt der
familialen Pflegeübernahme und eine menschenwürdige Versorgung in diesen
Krisensituationen darstellen kann (Steppe u.a., 1996)
. Die Entlastung
der pflegenden Personen hatte jedoch auch monetäre Aspekte für den
Staat. Von der Stabilisierung und Entlastung der häuslichen
Pflegesituation, durch Geld-, Sach- und Kombinationsleistungen, erhoffte
sich der Gesetzgeber, den hohen und wachsenden Kosten der stationären
Versorgung entgegenzuwirken. Der primäre Grund der Einführung des
Pflegeversicherungsgesetzes war jedoch die Entlastung der finanziell
stark strapazierten Bundessozialhilfe (BSHG), aus deren Mitteln bis zur
Einführung des SGB XI die Pflegeleistungen bezahlt wurden.
Erstmalig wurde mit dem SGB XI in Deutschland ein soziales
Sicherungssystem implementiert, das der bis dahin vorherrschenden
Vollversorgungsmentalität eine Absage erteilte. Mit dem SGB XI wurde
eine Teilkaskoversicherung konzipiert, die eine stärkere
Eigenverantwortung der Bürger verfolgte und nur als Ergänzung zur
familiären Pflege gedacht war.
Schon kurz nach der Einführung zeigten sich in der Praxis erste
Schwächen des Gesetzes. Es wurden nicht wie vorgesehen primär
Sachleistungen in Anspruch genommen. 80% der Leistungsberechtigten
entschieden sich für die Inanspruchnahme von Geldleistungen. Kritiker
sprachen in diesem Zusammenhang von nicht gewollten und
unkontrollierbaren Mitnahmeeffekten, die nur bedingt zur Entlastung in
der Pflegesituation beitragen und die soziale Situation der pflegenden
Angehörigen nicht stabilisieren würden. Um einer solchen Entwicklung
entgegenzuwirken, hatte der Gesetzgeber für Sachleistungen einen höheren
Geldbetrag festgelegt.
Durch verschiedene Faktoren wie z.B. die sich verändernden
Familienstrukturen, die demografische Entwicklung und die Zunahme von
degenerativen, chronischen und gerontopsychiatrischen Erkrankungen ist
inzwischen die Zahl derjenigen, die Sach- oder Kombinationsleistungen in
Anspruch nehmen, gestiegen, was zur Folge hat, dass ambulante
Pflegedienste immer stärker nachgefragt werden.
Sozialstationen – Ein neues Verständnis von häuslicher Pflege
Die Umstrukturierung der ambulanten Pflege zu betrieblich
organisierten Sozialstationen lässt sich auf das Ende der 1970er Jahre
zurückdatieren. Das damalige Gemeindeschwestermodell konnte den
gewachsenen Anforderungen langfristig nicht Stand halten. Es musste eine
neue Organisationsform geschaffen werden, die in der Lage war, eine
größere Menge an Mitarbeitern in der ambulanten Pflege zu bündeln, um
dem Bedarf der Bevölkerung gerecht zu werden, und um gleichzeitig eine
Begrenzung der teuren Krankenhausversorgung zu erreichen.
Mit der Einführung der Pflegeversicherung kam es zu einer rasanten
Zunahme ambulanter Pflegedienste im gesamten Bundesgebiet. Während die
Zahl der ambulanten Pflegedienste von 1993 bis 1995 zunächst von ca.
4.000 auf 6.000 zunahm, konnte kurz nach Einführung der
Pflegeversicherung ein Zuwachs auf 11.000 Dienste registriert werden.
Durch das SGB XI veränderten sich auch die Rahmenbedingungen, der
bisher staatlich geförderten, über den Versorgungsauftrag definierten
Sozialstationen. Die finanzielle Förderung durch die Bundesländer wurde
fast allerorts stark reduziert. Bestehende Wettbewerbsvorteile für
einzelne Anbietergruppen wurden aufgehoben. Hierdurch beabsichtigte der
Gesetzgeber, eine ausdifferenzierte, qualitativ hochwertige und
quantitativ ausgewogene pflegerische Infrastruktur zu schaffen. Die vom
Gesetzgeber erhoffte Leistungsdifferenzierung blieb jedoch bis heute
weitestgehend aus.
Durch die Einführung des SGB XI veränderte sich das Selbstverständnis
ambulanter pflegerischer Versorgung drastisch. Erstmalig wurden den
Diensten klare betriebswirtschaftliche Denk- und Handlungsstrukturen
abverlangt. Sie waren nun gezwungen, kostendeckend zu arbeiten und nur
noch die Leistungen zu erbringen, die von den Kostenträgern finanziert
wurden. Zwar konnten nun auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten und
Beratungs- und Anleitungsleistungen, die lange Zeit angemahnt wurden,
mit den Kassen abgerechnet werden. Als besonders problematisch stellte
sich jedoch heraus, dass der überwiegende Teil der Leistungen sich an
dem im Gesetz definierten, rein körperlich-funktionalen
Pflegebedürftigkeitsbegriff ausrichteten. Der gesamte Bereich der
emotionalen, kommunikativen und psychosozialen Unterstützung findet im
SGB XI keinerlei Berücksichtigung.
Bereits kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes wirkte sich dieser
Sachverhalt besonders schwerwiegend bei Menschen mit
gerontopsychiatrischen Erkrankungen wie Demenz oder Depression, also
einem zunehmenden Kundenkreis ambulanter Pflegedienste, aus. Die
Leistungen, die die Dienste bei diesen Klienten mit zumeist hohem
Betreuungsaufwand erbrachten, entbehrten dadurch einer angemessenen
Finanzierungsgrundlage. Somit wurde eine wachsende Zahl von
Pflegebedürftigen von der Inanspruchnahme der Leistungen des SGB XI
systematisch ausgeschlossen, da keine Pflegebedürftigkeit nach SGB XI
vorlag.
Auch wenn inzwischen diesbezüglich Änderungen am Gesetz vorgenommen
wurden, die eine Gleichstellung gerontopsychiatrisch erkrankter Menschen
verfolgt, wird deutlich, dass der Gesetzgeber zukünftige demografische
Indikatoren und medizinische Prävalenzen bei der Konzipierung der
Pflegeversicherung nicht ausreichend im Blick hatte.
Durch die veränderte Versorgungslogik, ausgelöst durch das SGB XI,
ergaben sich für ambulante Dienste zunehmend ethische und moralische
Konflikte in der pflegerischen Versorgung der Betroffenen. Die
Pflegedienste sind nicht selten zerrissen zwischen "alten" und "neuen"
Wertehaltungen. Sie müssen sich permanent zwischen ihrem pflegerisch,
humanistischen Anspruch und ihrer betrieblichen Bestandserhaltung neu
verorten. Besonders für die Wohlfahrtsverbände ergibt sich hieraus ein
schmerzender Spagat, da sie sich einerseits als Anwalt der Betroffenen,
zum anderen als Leistungserbringer betrachten.
Die kreative Suche nach Finanzierungswegen, um den Betroffenen bei
aller Restriktion der Finanziers annähernd gerecht zu werden,
verschlingt im unternehmerischen Alltag sehr viel Energie, Kreativität
und personelle Kapazitäten.
Ein weiteres Konfliktfeld ergab sich besonders innerhalb der
Berufsgruppe der Altenpfleger/-innen.
Der Schwerpunkt ihrer Ausbildung
liegt in der psychosozialen Betreuung alter Menschen. Der körperlich
funktionale Fokus des Pflegeversicherungsgesetzes, der sich an engen
Zeitkorridoren orientiert, bietet hierfür jedoch immer weniger
Spielräume. Nicht selten trägt ein solches Arbeitsklima zu
Unzufriedenheit und zum vorzeitigen Ausstieg aus dem Beruf bei, was die
Rekrutierung von Pflegekräften zunehmend erschwert. Für ambulante
Pflegedienste ergibt sich hieraus eine Entfremdung der Mitarbeiter zum
Inhalt ihrer Arbeit und führt damit zum Motivationsverlust. Gerade die
Pflege in der Lebenswelt, die in besonderem Maße an beidseitiges
Vertrauen gebunden ist, tritt durch den Wirtschaftlichkeitsfaktor für
alle dort beruflich Tätigen immer stärker in den Hintergrund.
Es kann festgehalten werden, dass Pflegekräfte durch das SGB XI zwar
einen eigenen, finanzierten Kompetenzbereich erhielten, ihnen
andererseits aber ihre Berufsidentität und Eigenständigkeit durch
dasselbe Gesetz entzogen wurde. So machten, in einer von Becker und
Meifort (1998) durchgeführten Untersuchung, 78% der befragten
Pflegekräfte die Auswirkungen der Pflegeversicherung für ihren
Berufsaustritt verantwortlich.
Reglementierungen und Restriktionen durch Gesetzgeber und Kostenträger
Immer weniger Pflegedienste in Deutschland sind in der Lage, noch
kostendeckend zu arbeiten. Die Zahl der Insolvenzen in diesem Bereich
steigt 1) und führt zum Verlust von Arbeitsplätzen. Diese Entwicklung
widerspricht allen Prognosen zur Entwicklung der Gesellschaftsstruktur,
die durch den deutlichen Zuwachs pflegebedürftiger alter Menschen und
der Abnahme der jüngeren Generation gekennzeichnet ist.
Den ambulanten Pflegediensten wird allgemein eine große Bedeutung in
der Versorgung Kranker und Pflegebedürftiger zugeschrieben. In der
Realität wird dieser Sektor jedoch von allen Seiten "stiefmütterlich"
behandelt und nicht selten erscheint der Grundsatz "ambulant vor
stationär" wie graue Theorie.
...
Wer das bis zu Ende liest, erfährt das ganze Desaster in der heutigen Pflege, wo alle auf der Strecke bleiben, die Pflegefälle, die Arbeitskräfte in der Pflege und oft sogar die Betriebe, die auch rote Zahlen schreiben, weil die knappen Sätze, die der Medizinische Dienst zubilligt, eben für eine anständige Pflege nicht ausreichen.
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Das es auch heute noch in Ausnahmefällen so ist, dass die Sozialämter für die Pflege aufzukommen haben .. auch in Form einer Geldleistung an die Person, die den Pflegefall pflegt wie Freunde, Nachbarn oder Familienangehörige, weil die diese Tätigkeit ganz ohne Aufwandsentschädigung nicht leisten können, das findet Ihr hier:
Früher war das da oben die Regel .. heute ist es die Ausnahme, seit es die Pflegeversicherung gibt.
Die Nachteile, die für die Menschen selbst durch die Einführung der Pflegeversicherung entstanden sind, waren ja im Link davor schon sehr deutlich geworden.
LG
Renate