Montag, 20. Juli 2015

Unser Leben ohne Auto


Wie sich das Leben ohne Auto allmählich verändert

Links seht Ihr Jürgen im Treppenhaus unseres Wohnblocks auf den Fahrstuhl warten. Um zum Fahrstuhl zu kommen, müssen wir beide immer eine halbe Treppe rauf oder runter.

Seit wir kein Auto mehr haben, benutzen wir zum Einkaufen immer eine Sackkarre mit zwei Klappkisten und einigen Gurten zum Festzurren, damit wir nicht so viel tragen müssen, denn das wäre zu beschwerlich. Der Fahrstuhl ist auch wichtig, um den Einkauf in die Wohnung zu kriegen, denn keiner von uns ist mehr jung und kräftig.

Während ich Euch etwas über unser Leben im Alter ohne viel Geld und ohne Auto erzähle, werde ich Euch Fotos von einem der recht kurzen Wege zeigen, den wir oft laufen, wenn wir in der Nähe bei Netto Lebensmittel und dergleichen einkaufen gehen.

Rechts läuft Jürgen von unseren Wohnblock über den Parkplatz. Das Haus mit den mintgrünen Streifen ist ein Nachbarwohnblock, der genauso aufgebaut ist wie unserer. Auf der anderen Seite gibt es noch einen dritten Wohnblock dieser Art.


Wir wohnen in Preetz in der Breslauer Straße. Oben läuft Jürgen die Breslauer Straße runter und dann links um die Ecke in die Sudetenstraße. Links seht Ihr ihn in der Sudetenstraße.

Wer von Sozialhilfe oder ALG II leben muss, kann sich ein Auto nicht leisten. Wir haben schon die beiden Pferde und verdienen uns, weil wir neben dem Aufstocken mit Hartz IV ja arbeiten, ein paar Freibeträge. Die würden vielleicht für ein Auto reichen, aber nicht für die beiden Pferde, Hund, Katze und ein Auto.


Da wo jetzt unsere Einkaufskarre steht, geht es links zu einem Tunnel der unter der Bahnlinie Richtung Kiel durch führt. Es ist ein Fußgängertunnel, der dafür sorgt, dass der Weg zu Netto und Edeka für die Menschen aus der Preetzer Glindskoppel zu Fuß nicht sehr weit ist.

Als wir das Auto abgeschafft haben, waren wir noch daran gewöhnt, meistens bei Aldi in der Innenstadt von Preetz einzukaufen. Es gibt im gleichen Einkaufszentrum auch einen Sky-Markt.

Ohne Auto gewöhnt man sich so lange Wege ab.

Da seht Ihr Jürgen und Boomer vor diesem Fußgängertunnel Richtung Netto und Edeka.

Man läuft ungefähr 8 bis 10 Minuten von unserer Wohnung zu Netto. Das ist nicht weit. Die meisten Menschen, die bei uns kein Auto haben, kaufen das meiste, was sie brauchen bei Netto ein.

Bei Edeka war ich noch nie. Wenn ich einige Dinge wie Gewürze und dergleichen brauche, laufe ich zur Zeit noch mit Jürgen zu Sky, wo wir früher alles, was wir bei Aldi nicht bekommen haben, auch immer geholt haben, als wir noch das Auto hatten.
Oben und rechts laufe ich mit Boomer im Fußgängeraufgang vom Tunnel zur Straße. Oben könnt Ihr hinter mir einen Weg in die andere Richtung sehen. Dort laufen wir täglich lang, wenn wir auch zu Fuß zu unseren Pferden in den Stall und zurück laufen, die wir ja selbst versorgen. Pro Strecke, also sowohl hin als auch zurück, sind wir ca. eine Stunde unterwegs, dazwischen die Stallarbeit von auch ca. einer Stunde. Wir sind deshalb normalerweise täglich 3 - 4 Stunden weg, wenn wir uns um unsere Pferde kümmern. Für Boomer ist das ein schöner Spaziergang und uns hält das sicherlich gesund und fit.

Hinter dem Aufgang vom Tunnel zur Straße biegt man zu Netto von uns aus nach rechts ab und läuft an der B 76 entlang. Wenn man dort noch weiter läuft, kommt man irgendwann auch in die Innenstadt und auf den Marktplatz.

Als wir noch das Auto hatten, haben wir ca. 4 Jahre lang immer für eine Nachbarin aus dem Nachbarwohnblock mit eingekauft oder sie auch gelegentlich zum Großeinkauf am Ersten mitgenommen, die noch übergewichtiger ist als ich es bin.


Die Reaktion dieser Frau war für mich nicht überraschend, als unser Auto nicht mehr über den TÜV kam. Bis zum letzten Tag haben wir sie noch mit zum Kaufmann genommen und ihr geholfen.

Dass wir das zu Fuß nicht mehr können, habe ich ihr lange voher immer wieder erklärt und versucht, ihr zu helfen, sich mit dem Stadtbus zurechtzufinden, sie ermutigt, laufen zu üben, denn zu Netto ist es wirklich nicht weit und wie man sieht, gibt es auf dieser 10-Minuten-Strecke sogar eine Bushaltestelle mit einer Bank zum Ausruhen zwischendurch.

Diese Frau nannte sich unsere Freundin, aber schon wenige Wochen nach dem Abschaffen unseres Autos hat sie uns sogar aus ihrer Facebook-Freundesliste geschmissen.

Wir sind ja nun nicht mehr nützlich für sie. So ist das, wenn man arm ist. Echte Freunde, ich glaube, davon haben wir nur sehr wenige.

Mit der Familie war das im übrigen nicht anders, auch wenn es da nichts damit zu tun hatte, dass Menschen uns nun wegen unseres in einem Sozialghetto seltenen Autos vorgeheuchelt haben, wir seien Freunde.
Auf meiner Bildertour mit Jürgen auf dem Weg zu Netto und zurück sind wir inzwischen auf dem Parkplatz vor Netto angekommen. Links neben dem Netto-Laden gibt es noch einen Edeka-Laden, der auch zu Fuß von uns gut erreichbar ist.

Ich werde Euch am Schluss noch einen Link zu einem unserer Foren anhängen, wo Ihr noch mehr solche Fototouren wie diese hier von unseren Fußwegen findet.

Darunter sind dann anders als hier auch sehr weite Wege beschrieben, die sehr beschwerlich sind.

Es gibt Gründe, warum Jürgen und ich immer zu Fuß laufen und weder ein Fahrrad noch den Bus nehmen, was schon bei vielen Wegen möglich wäre.

Boomer ist als Terrier sehr wild und wäre am Fahrrad sicher ein Hund, der uns bald einen unschönen Unfall bescheren könnte, wenn er zur Seite zieht oder dergleichen, was typisch für ihn wäre.

Im Bus wäre er autokrank. Er hat schon weite Strecken mit dem Auto nicht vertragen.



Wenn bei Netto zu viel los ist, wartet Jürgen normalerweise mit Boomer draußen. Wenn wir spät am Abend einkaufen, kommt Jürgen oft auch mit rein und Boomer wartet dann alleine draußen.

Wir nehmen Boomer normalerweise überall hin mit und lassen ihn kaum alleine in der Wohnung. Das haben wir auch nie getan, als wir noch ein Auto hatten.

Dennoch hat sich vieles geändert, seit wir uns ein Auto nicht mehr leisten können.


Der Weg zum Friedhof zum Grab meiner Mutter war mit dem Auto ein Katzensprung. Zu Fuß ist das ein langer beschwerlicher Weg geworden. Gott sei Dank liegt ihr Grab unter hohen Bäumen, so dass ich nicht laufend zum Gießen zu ihr hin muss.

Der Weg zur einzigen Poststelle in Preetz und dem Briefmarkenautomaten ist sehr weit, auch der Weg zum Fachmarktzentrum, wo es Geschäfte wie Kik, Tedi, Aldi und Sky gibt.

Das gleiche gilt für den Weg zum Jobcenter, wenn wir dort Post für Plön einwerfen müssen.

Wenn wir bei meiner Mutter auf dem Friedhof sind, um ihr Grab zu pflegen, ist Lidl in der Nähe. Ich nutze das dann aus, dass wir sowieso dort sind, um ab und zu dort auch einmal einzukaufen.

Wenn wir ohnehin Post für das Jobcenter haben, gehe ich meistens bei Sky und Aldi, Tedi oder Kik vorbei, um dort alles einzukaufen, was ich für diese Geschäfte immer auf einem Einkaufszettel notiere.

Ein Konzert in Hamburg oder selbst in Kiel ist schon eine kleine Weltreise geworden.


Am Samstag spielt auf dem Preetzer Kathrinsplatz eine Band. Der NDR organisiert das. Es kostet auch nichts, der Eintritt ist frei. Wir werden hin gehen, Boomer kann ja mit, aber weit zu laufen ist es dennoch.

Unser Pferdefutter haben wir früher immer gekauft, wenn wir zum Stall gefahren sind. Es war nur ein Katzensprung vom Stall zum Futterladen in Schwentinental.

Heute lasse ich das schicken. Es kommt unten aus Bayern.

Ich habe den Futter-Onlineshop extra danach ausgesucht, dass sie die Ware vormittags bei uns anliefern, wo wir immer zu Hause sind und am PC arbeiten.

Ein anderer Laden lieferte das Futter mit der Post und die kamen oft erst spät nachmittags, wo wir im Stall sind .. das geht also nicht, denn so schwere Pakete von unserer weit entfernten Poststelle abzuholen wäre viel zu anstrengend.

Wie Ihr seht, muss man viel überlegen, wenn man kein Auto mehr hat. Das Leben ändert sich sehr.

Links seht Ihr übrigens im Hintergrund ein Haus mit pinken Streifen. Da wohnen wir. Jürgen läuft gerade wieder Richtung Heimat und ist nun wieder in der Sudetenstraße.

Viele unserer unmittelbaren Nachbarn sind Fußgänger und führen ein ähnliches Leben wie wir es auch tun.

Es gibt in der Glindskoppel auch Menschen mit eigenen Häusern, die große Grillpartys feiern und ein ganz anderes Leben führen. Man kriegt es am Rande ja mit.

So .. rechts ist Jürgen wieder zu Hause angekommen .. nun ab mit dem Einkauf in den Fahrstuhl und zu Hause eine kleine Pause machen.

Tja ... die Menschen, die in der Glindskoppel die Sozialwohnungen oder die, die etwas teurer sind und wo man dann schon vom Sozialhilfesatz dazu zahlen muss, um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben, bewohnen, die leben alle mehr oder weniger ähnlich wie wir.

Man ist froh, dass man einkaufen konnte, noch etwas zu Essen da ist, das Telefon noch funktioniert und der Strom nicht abgestellt wurde und dergleichen. Man ist auch froh, dass man noch eine solche Wohnung hat und nicht ins Obdachlosenasyl umziehen muss oder gar kein Dach mehr über dem Kopf hat, denn auch das ist ja nicht mehr selbstverständlich.

Wenn man diese Nachbarn auf der Straße trifft, fallen ein paar freundliche Worte, man kennt sich, man grüßt sich, man klönt miteinander .. großartig gemeinsam feiern ist selten drin, vielleicht ab und zu ganz bescheiden einmal.

Eins ist allerdings sicher, ein Leben ohne Auto hält körperlich recht fit.

Fotos von vielen weiten Wegen findet Ihr bei Interesse hier:


LG Renate

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