... auch Allgemeines Gleichbehandelungsgesetz (AGG) genannt
Das ist mir in Bezug auf die Aktion einer Gaststätte über den Weg gelaufen, die Kindern unter 14 Jahren nach 17.00 Uhr den Zutritt verweigert und damit gegen dieses Gesetz verstößt.
Aber ich finde dieses Gesetz grundsätzlich sehr interessant. Es lässt sich sicherlich in vielen Fällen gut gebrauchen. Möchte es deshalb unbedingt mal hierher übernehmen, falls man das mal braucht.
Den Text übernehme ich mal ganz hier rein:
...
Allgemein
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt in seinem
arbeitsrechtlichen Teil (
§§ 6–18) für Arbeitnehmer und Auszubildende der
Privatwirtschaft, aber auch für Stellenbewerber. Für
Beamte,
Richter und Beschäftigte des
Bundes und der Länder findet es im Dienstrecht entsprechende Anwendung, (
§ 24). Darüber hinaus gilt es auch für bestimmte Bereiche des privaten
Vertragsrechts (
§§ 19–21).
Schon bisher galt der in
Art. 3 Grundgesetz
(GG) normierte Grundsatz der Gleichbehandlung, allerdings nur für das
Handeln des Staates. Im Verhältnis der Bürger untereinander ist
Art. 3 GG, wie alle Normen des öffentlichen Rechts, grundsätzlich nicht anwendbar. Allerdings hat das
Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung schon bisher die
Grundrechtsnormen im Verhältnis Arbeitgeber-Arbeitnehmer unmittelbar angewandt.
Die konkreten Diskriminierungsverbote des
Art. 3 Abs. 3 GG sind nicht völlig deckungsgleich mit denen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes: So verbietet
Art. 3
Abs. 3 GG eine Diskriminierung aufgrund der räumlichen Herkunft eines
Menschen, nicht aber das AGG. Nach dem AGG hätte es z. B. keine
Konsequenzen, wenn ein Kölner Unternehmer grundsätzlich keine
Düsseldorfer einstellen und sich dazu auch bekennen würde; ungeachtet,
welcher Ethnie der Kölner Unternehmer und die betroffenen Düsseldorfer
angehören. Umgekehrt verbietet das GG keine Diskriminierungen auf der
Grundlage der sexuellen Identität eines Menschen, wohl aber das AGG.
Die Besonderheit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im zivilrechtlichen Teil liegt nun darin, dass es als
Schutzgesetz in den Privatrechtsverkehr eingreift und damit die
Privatautonomie
einschränkt. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist dies, da der
Grundrechtsschutz vorrangig staatliches Handeln erfasst, notwendig, um
den
objektiv-rechtlichen Gleichbehandlungsauftrag des Grundgesetzes auch für das Verhalten der Bürger untereinander umzusetzen.
Anwendungsbereiche
Das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz findet nicht in allen
gesellschaftlichen und rechtlichen Bereichen Anwendung und verbietet
auch nicht jede Form der Ungleichbehandlung. Vielmehr verbietet es
Diskriminierungen nur dann, wenn diese auf bestimmten, im Gesetz
genannten Merkmalen beruhen. Zweitens sind Ungleichbehandlungen nur in
bestimmten gesetzlich genannten Situationen verboten.
Personenbezogene Merkmale
Das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet Benachteiligungen nur,
soweit sie an eines der folgenden personenbezogenen Merkmale anknüpfen:
Gegenüber der EU-Richtlinie, in der „sexuelle Ausrichtung“ definiert
ist, wird hier „sexuelle Identität“ mit einem Verweis auf den schon
bestehenden
§ 75 BetrVG verwendet. Auf jeden Fall sind die sexuelle Selbstdefinition sowie die sexuelle Ausrichtung auf andere Menschen (
sexuelle Orientierung) erfasst. Daneben ist auch der
Transvestitismus einbezogen. Nach der Gesetzesbegründung sollen
Intersexualität und
Transsexualität auch hierdurch geschützt sein, nach der Rechtsprechung des
EuGH jedoch als Geschlecht.
[1]
Nicht geregelt ist hingegen die Benachteiligung aufgrund weiterer Merkmale aus der
EU-Charta, wie beispielsweise die Diskriminierung aufgrund des Vermögens und der
sozialen Herkunft.
Sachlicher Anwendungsbereich
Sachlich bezieht sich das Gesetz nach
§ 2 Abs. 1 AGG auf
- die Bedingungen für den Zugang zu Erwerbstätigkeit sowie für den
beruflichen Aufstieg, einschließlich Auswahlkriterien und
Einstellungsbedingungen,
- die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen,
- den Zugang zu Berufsberatung, Berufsbildung, Berufsausbildung, beruflicher Weiterbildung sowie Umschulung und praktischer Berufserfahrung,
- Mitgliedschaft und Mitwirkung in Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen und Vereinigungen, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören,
- den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
- die sozialen Vergünstigungen,
- die Bildung,
- den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen,
die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von
Wohnraum.
Formen der Benachteiligung
Folgende Formen der Ungleichbehandlung sind zu unterscheiden:
- unmittelbare Benachteiligung (§ 3 Abs. 1 AGG): weniger günstige Behandlung einer Person gegenüber einer anderen in einer vergleichbaren Situation,
- mittelbare Benachteiligung (§ 3
Abs. 2 AGG): Benachteiligung durch scheinbar neutrale Vorschriften,
Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren, die sich faktisch diskriminierend
auswirken,
- Belästigung (§ 3
Abs. 3 AGG): Verletzung der Würde der Person, insbesondere durch
Schaffung eines von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen,
Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichneten Umfelds,
- sexuelle Belästigung (§ 3 Abs. 4 AGG),
- die Anweisung zu einer dieser Verhaltensweisen (§ 3 Abs. 5 AGG).
Für die Frage, was mit der in
§ 3 Abs. 2 AGG gegebenen Definition der mittelbaren
Diskriminierung
genau gemeint ist, kann die bisherige Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts Hilfe geben. Die beiden
Gerichte haben zur Klärung des Tatbestands der mittelbaren
Diskriminierung weitgehende Vorarbeit geleistet. Das Verbot der
mittelbaren Diskriminierung ist ursprünglich an den Gesetzgeber
gerichtet und an andere Parteien, soweit sie kollektive Maßnahmen
durchführen, d. h. Arbeits- und Lebensbedingungen regeln, bzw. die
Durchführung von Schuldverhältnissen durch Maßnahmen mit kollektiver
Wirkung konkretisieren. Der Sache nach geht es darum, Verfahren als
Diskriminierung zu ahnden, die bestimmte Gruppen von Personen
benachteiligen, d. h. weniger günstig behandeln
[2],
und dabei zwar eine ausdrückliche Benennung der verbotenen
Diskriminierungsmerkmale vermeiden, aber durch die Wahl der scheinbar
neutralen Kriterien darauf angelegt sind, gerade solche Personen zu
benachteiligen, die eines oder mehrere der vom AGG verbotenen Merkmale
aufweisen.
Die mittelbare Diskriminierung verläuft im Ausgangspunkt trotz
der komplexen Definition des Gesetzes nach einem einheitlichen Muster:
- Zunächst erfolgt eine Gruppenbildung nach nicht ausdrücklich
verbotenen Kriterien. Zum Beispiel unterscheidet der Arbeitgeber bei
einer Maßnahme zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten, oder ein
Vermieter unterscheidet zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen oder
zwischen Selbständigen und Angestellten.
- Anschließend wird die eine Gruppe kollektiv und unmittelbar im Sinne von § 3
Abs. 1 AGG benachteiligt. Das kann dadurch geschehen, dass nur die
andere Gruppe Vorteile erhält oder dadurch, dass die fragliche Gruppe
direkt schlechter behandelt wird. Zum Beispiel wird
Teilzeitbeschäftigten keine Lohnfortzahlung gewährt.
- Falls die Benachteiligung der gebildeten Gruppe nun – statistisch
betrachtet – in besonderer Weise diejenigen betrifft, die durch
Diskriminierungsverbote geschützt werden sollen – also etwa mehr
Ausländer als Inländer betrifft oder mehr Frauen als Männer – weil diese
in der gebildeten und benachteiligten Gruppe im Verhältnis zur anderen
Gruppe überrepräsentiert sind, liegt der Tatbestand einer mittelbaren
Diskriminierung vor.
- Eine mittelbare Diskriminierung ist aber ausnahmsweise zulässig,
wenn diese statistische „besondere Betroffenheit“ einer vom AGG
geschützten Gruppe nur Nebenprodukt eines erlaubten Ziels ist. Wer also
etwa das erlaubte Ziel verfolgt, nur die Betriebstreue unbefristet
Beschäftigter durch ein Weihnachtsgeld zu belohnen, darf die befristet
Beschäftigten von der Zahlung ausnehmen, auch wenn diese Maßnahme ganz
überwiegend Frauen trifft.
Aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich das indessen nicht entnehmen.
Unerlaubte Diskriminierung im Arbeitsrecht
Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen
Im Arbeitsverhältnis sind Vereinbarungen, die gegen Diskriminierungsverbote verstoßen, unwirksam (
§ 7 Abs. 2 AGG).
Der Arbeitgeber kann jedoch einwenden, dass die Ungleichbehandlung im Einzelfall gerechtfertigt ist (
§§ 5 und 8 bis 10
AGG). So kann eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein,
wenn dadurch auf angemessene Weise eine bestehende Diskriminierung
beseitigt wird. Ein absoluter Vorrang der geschützten Gruppe ist dabei
jedoch ausgeschlossen.
Eine unterschiedliche Behandlung, z. B. wegen des Geschlechts,
ist nur zulässig, wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden
Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine unverzichtbare
Voraussetzung für die Tätigkeit ist, z. B. Einstellung einer
Balletttänzerin (
§ 8 Abs. 1 AGG). Für diesen Einwand trägt der Arbeitgeber im Prozess die Darlegungs- und Beweislast (
§ 22 AGG). Er wird also den Prozess verlieren, wenn er unzureichend vorträgt oder der Beweis misslingt.
Für Beschäftigte von Religionsgemeinschaften sind
unterschiedliche Behandlungen wegen der Religion oder Weltanschauung
ebenfalls zulässig (
§ 9
AGG). So wird es z. B. keine verbotene Diskriminierung darstellen, wenn
ein Muslim nicht als Reinigungskraft eines katholischen Kindergartens
eingestellt wird. Dies entspricht der bereits bestehenden Rechtslage im
Arbeitsrecht, die Religionsgemeinschaften, im Gegensatz zu
Tendenzbetrieben, vollständig vom
Betriebsverfassungsgesetz
ausnimmt. In Privatbetrieben hingegen ist dem Unternehmer nicht
gestattet, bei der Auswahl von Stellenbewerbern eine Auswahl aufgrund
der eigenen religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen vorzunehmen.
Ein Muslim muss also auch Juden einstellen und umgekehrt. Mit dem
Urteil (2 AZR 579/12) vom 25. April 2013 bestätigte das
Bundesarbeitsgericht auch die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers einer kirchlichen Einrichtung, wenn er mit seinem
Kirchenaustritt
gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten (Arbeitsvertragsrichtlinien
(AVR)) verstoße. Der Arbeitnehmer werde dadurch nicht nach dem AGG
diskriminiert.
[3]
Altersbedingte Ungleichbehandlungen können gerechtfertigt sein,
wenn sie objektiv angemessen sind und ein legitimes Ziel verfolgen,
z. B. Mindest- oder Höchstalter für eine Einstellung, Mindestalter für
die Inanspruchnahme von Ansprüchen aus betrieblichen
Alterssicherungssystemen (
§ 10 AGG).
Ungleichbehandlungen sind generell dann erlaubt, wenn ein
geächtetes Kriterium nicht das Hauptmotiv für die Ungleichbehandlung
bildet. So stellte das Arbeitsgericht Berlin fest, dass es zulässig sei,
Bewerber wegen mangelnder Deutschkenntnisse nicht einzustellen, obwohl
von solchen Praktiken vorwiegend Menschen fremder ethnischer Herkunft
betroffen seien.
[4]
Auch die tarifvertraglich vorgesehene automatische Beendigung des
Arbeitsvertrags aus Altersgründen, wie sie im Rahmentarifvertrag für
die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vorgesehen ist,
ist mit der dem AGG zugrunde liegenden Richtlinie 2000/78 vereinbar.
[5][6]
Rechtsfolgen unerlaubter Ungleichbehandlungen
Liegen ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen vor, hat der Mitarbeiter ein Beschwerderecht (
§ 13 AGG).
Der Arbeitgeber muss dann gegen die Beschäftigten, die gegen das
Benachteiligungsverbot verstoßen, die geeigneten, erforderlichen und
angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung ergreifen,
z. B. Abmahnung, Versetzung, Kündigung (
§ 12 Abs. 3 AGG), bzw. bei einer Benachteiligung durch Dritte Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter (
§ 12 Abs. 4 AGG).
Bei Belästigungen kann darüber hinaus ein
Leistungsverweigerungsrecht bestehen: Ergreift der Arbeitgeber keine
oder ungeeignete Maßnahmen, um eine Belästigung zu beenden, so kann der
Arbeitnehmer die Leistung verweigern, wenn und soweit dies zu seinem
Schutz erforderlich ist (
§ 14 AGG). Der Anspruch auf das Arbeitsentgelt bleibt in diesem Fall bestehen.
Daneben hat der Mitarbeiter einen Schadensersatzanspruch (
§ 15
Abs. 1 AGG), der sich auf Ersatz von Vermögensschäden richtet, es sei
denn, dass kein dem Arbeitgeber zuzurechnendes Verschulden vorlag.
Umstritten ist, ob dieser Anspruch auch den Verdienst umfasst, der dem
abgelehnten Bewerber entgeht.
Der Mitarbeiter hat auch einen vom
Verschulden des Arbeitgebers unabhängigen
Entschädigungsanspruch (
§ 15
Abs. 2 AGG), der bei Nichtvermögensschäden einen angemessenen Ausgleich
in Geld für die erlittene Ungleichbehandlung vorsieht. Die Höhe des
Ausgleichsanspruchs richtet sich u. a. nach der Art und Schwere der
Interessensschädigung, dem Anlass und den Beweggründen des Arbeitgebers,
der Dauer, dem Grad des Verschuldens des Arbeitgebers sowie danach, ob
es sich um einen Wiederholungsfall handelt. Das Bundesarbeitsgericht
spricht bei vergleichbaren Fällen einer Ungleichbehandlung (nach dem
früheren
§ 611a BGB)
einen Entschädigungsanspruch von mindestens einem Monatsgehalt zu. Das
AGG sieht für den Fall einer diskriminierenden Nichteinstellung einen
Höchstbetrag von drei Monatsgehältern vor. Diese Begrenzung entfällt
aber, wenn der Bewerber ohne die Diskriminierung auf jeden Fall
eingestellt worden wäre.
Für die Geltendmachung des
Schadensersatz- und des Entschädigungsanspruchs gilt eine Frist von zwei Monaten (
§ 15 Abs. 4 AGG). Zuständig sind die
Arbeitsgerichte (
§ 61b ArbGG).
Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot (
§ 7 AGG) besteht kein Anspruch auf Einstellung, Berufsausbildung oder beruflichen Aufstieg (
§ 15 Abs. 6 AGG).
Der Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht wegen einer Inanspruchnahme von Rechten nach dem AGG benachteiligen (
§ 16 AGG).
Soweit ein
Betriebsrat besteht bzw. eine
Gewerkschaft
im Betrieb vertreten ist, haben diese bei groben Verstößen des
Arbeitgebers ein eigenes Klagerecht, und zwar auch ohne Zustimmung des
Betroffenen (
§ 17 Abs. 2 AGG). Dies gilt nicht für den
Personalrat im
öffentlichen Dienst.
Reaktionen von Arbeitgebern und Personalverantwortlichen
Arbeitgeber und Personalverantwortliche müssen sich seit Inkrafttreten des AGG mit folgenden Fragen befassen:
- Wer muss wie vor Diskriminierung geschützt werden (z. B. eigene freie Mitarbeiter)?
- Gibt es im Betrieb mittelbare/unmittelbare,
bewusste/unbewusste/billigend in Kauf genommene Diskriminierung, bzw.
gibt es Situationen, bei denen deren Entstehen vorhersehbar ist?
- Welches sind Belästigungs- oder Benachteiligungsmerkmale?
- Können Benachteiligungen AGG-konform gerechtfertigt werden?
Insbesondere müssen Pflichten, Haftungsrisiken und
Entschädigungsansprüche beachtet werden, die das AGG Arbeitgebern neu
zuweist: Diese Änderungen betreffen die Schutz-, Organisations- und
Maßnahmenpflichten des Arbeitgebers, die
Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers, die
Entschädigungsansprüche, auch
einstweilige Verfügungsverfahren und nicht zuletzt das Beschwerde- und
Leistungsverweigerungsrecht der Arbeitnehmer.
Arbeitgeber müssen die neuen Rechte des
Betriebsrates (nicht allerdings des
Personalrates), die notwendigen Neuregelungen für Stellenausschreibungen, Einstellungs- und
Auswahlverfahren, Absagen, neue Maßstäbe auch für
Arbeitsverträge,
Kündigungen,
Sozialauswahl,
Arbeitszeugnisse beachten. Die Neuregelungen betreffen Organisation, Zusammenarbeit,
Mitarbeiterführung, Gehaltsfragen ebenso wie die
Mitbestimmungsmodalitäten von Arbeitnehmer respektive die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat.
In Bewerbungsverfahren ist die Praxis üblich geworden, keinerlei
Gründe mehr für die Nicht-Einstellung eines Kandidaten anzuführen.
Stattdessen enthalten Anschreiben bei Rücksendungen von
Bewerbungsunterlagen oft nur noch Mustertexte wie: „Leider konnte ihre
Bewerbung nicht berücksichtigt werden.“
[7]
Bei dem Entschluss, so zu verfahren, spielt die Hoffnung von
Arbeitgebern eine zentrale Rolle, keine Angriffspunkte für den Verdacht
zu bieten, es liege ein Fall unzulässiger Diskriminierung des jeweiligen
Bewerbers vor.
Versicherbarkeit
Die
Versicherungsbranche reagiert inzwischen durch das Angebot spezieller
Policen (so genannter Liability Employment Practices). In Anlehnung an
US-amerikanische Vorbilder sollen sich Arbeitgeber gegen das Risiko
einer Inanspruchnahme durch Mitarbeiter und Bewerber wegen Verletzung
des AGG – insbesondere bei Ansprüchen nach
§ 15 AGG – versichern können.
Unerlaubte Diskriminierung im Zivilrecht
Auch
im allgemeinen Zivilrechtsverkehr, d. h. bei der Begründung,
Durchführung und Aufhebung von Verträgen, sind Diskriminierungen aus
einem der im Gesetz genannten Merkmale grundsätzlich unzulässig (
§§ 19 bis 21 AGG). Das betrifft jedoch im Wesentlichen nur
Darüber hinaus ist eine „Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder
wegen der ethnischen Herkunft“ auch bei der Begründung, Durchführung und
Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse im Sinne des
§ 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 AGG (
§ 19 Abs. 2 AGG) unzulässig, wenn sie nicht die nach
§ 19 Abs. 3 AGG benannten Ausnahmen der
ausgewogenen Siedlungsstrukturen oder ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Strukturen betreffen.
[8]
Keine Anwendung finden Diskriminierungsverbote auf
- familien- und erbrechtliche Rechtsverhältnisse (§ 19 Abs. 4 AGG), sowie auf
- Schuldverhältnisse, bei denen ein besonderes Nähe- oder
Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird;
dies gilt auch für das Mietrecht, und zwar insbesondere dann, wenn die
Parteien oder ihre Angehörigen auf demselben Grundstück wohnen (§ 19
Abs. 5 AGG). Die Vermietung von nicht mehr als 50 Wohnungen ist in der
Regel kein Massengeschäft im Sinne des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes.
Liegt objektiv eine Benachteiligung vor, kann diese im Einzelfall
gerechtfertigt, d. h. erlaubt und sanktionslos, sein. Gerechtfertigt
sind Ungleichbehandlungen aus sachlichen Gründen, z. B. zur Abwehr von
Gefahren (
§ 20 AGG).
Bei privatrechtlichen Versicherungsverträgen ist eine
Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts zulässig, wenn das
Geschlecht ein bestimmender Faktor bei der versicherungsmathematischen
Risikobewertung ist. Das entsprechende Datenmaterial und die Berechnung
müssen offengelegt werden. Kosten von Schwangerschaft und Entbindung
dürfen nicht zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen führen, sie
müssen vielmehr zwingend geschlechtsneutral verteilt werden (§ 20 Absatz
2 AGG).
Bei einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung hat der
Benachteiligte Beseitigungs-, Unterlassungs- und
materiellen/immateriellen Schadensersatzansprüche, die jeweils innerhalb
einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden müssen (
§ 21 AGG).
Steuerrecht
Steuerrechtlich werden Entschädigungen, welche auf Grund des AGG gezahlt werden, als
steuerfreie Schmerzensgeldzahlungen gewertet.
Besonderheiten im Prozess
Beweislast
Der
Kläger muss zunächst 1. eine weniger günstige Behandlung gegenüber
einer anderen Person 2. in einer vergleichbaren Situation 3. unmittelbar
oder mittelbar wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes darlegen und
beweisen. Gem.
§ 22
AGG hat der Kläger hinsichtlich der dritten Voraussetzung lediglich
Indizien zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG
genannten Grundes vermuten lassen mit der Folge, dass der Beklagte die
Beweislast dafür trägt, dass keine nach dem AGG verbotene
Benachteiligung vorliegt. Den Beklagten trifft dann die volle
Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen einer verbotenen
Benachteiligung.
[9]
Die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen müssen aus objektiver
Sicht nach allgemeiner Lebenserfahrung mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung
aufgrund eines in § 1 AGG genannten Merkmals erfolgt ist.
[10]
Dann genügt es, dass ein nach § 1 AGG unzulässiges Kriterium auch nur
neben anderen Kriterien eine Rolle für eine ungünstigere Behandlung
gespielt hat (sog. Motivbündel). Für eine "überwiegende
Wahrscheinlichkeit" genügt es beispielsweise, wenn der Arbeitgeber eine
Stellenanzeige nicht geschlechtsneutral formuliert, allgemeine
Statistiken etwa über die Unterrepräsentanz von Frauen in
Führungspositionen haben hingegen keine ausreichende Indizfunktion.
[11]
Im Rahmen der richterlichen Würdigung des Sachverhalts kann u. a. das sog. Testing-Verfahren
[12]
einen tatsächlichen Anhaltspunkt darstellen. Dabei wird dem Vermieter
bzw. Arbeitgeber eine weitere qualitativ vergleichbare Bewerbung einer
weiteren (fiktiven) Person um die Wohnung bzw. Arbeitsstelle vorgelegt,
auf die das Diskriminierungsmerkmal nicht zutrifft. Für den Rückschluss
auf Diskriminierung müssen jedoch andere, nicht diskriminierende
Erklärungen für eine Benachteiligung möglichst ausgeschlossen werden
können, indem sich die betroffene und die Testperson mit Ausnahme des
vermuteten Diskriminierungskriteriums weitestgehend gleichen.
[13] Das gilt im Arbeitsrecht insbesondere für die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle.
[14]
Im Erfolgsfall ist der Anspruch des Klägers auf eine Entschädigung gem.
§ 15 Abs. 2 AGG begrenzt; Schadensersatz erhält er nicht.
[15][16]
Klagefrist
Wenn die
Tarifvertragsparteien
nichts anderes vereinbart haben, muss ein Schadensersatz- oder
Entschädigungsanspruch binnen zwei Monaten nach Ablehnung der Bewerbung
bzw. nach Kenntnis von der Benachteiligungshandlung schriftlich beim
Arbeitgeber geltend gemacht werden,
§ 15 Abs. 4 AGG. Für eine Klage zum
Arbeitsgericht ist eine weitere Frist von drei Monaten ab schriftlicher Geltendmachung zu beachten,
§ 61b Abs. 1 ArbGG.
Europarechtlicher Hintergrund
- Hauptartikel: Europarechtliche Vorgaben zum Diskriminierungsverbot
Die Regelungsbereiche der EG-Antidiskriminierungsrichtlinien
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dient der Umsetzung von vier
Europäischen Richtlinien aus den Jahren 2000 bis 2004, nämlich um die
- Richtlinie 2000/43/EG
des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der
ethnischen Herkunft (ABl. EG Nr. L 180 S. 22) – so genannte Antirassismus-Richtlinie –
- Richtlinie 2000/78/EG
des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen
Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und
Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16) – so genannte Rahmenrichtlinie Beschäftigung –
- Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur
Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und
Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und
zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen
(ABl. EG Nr. L 269 S. 15) – so genannte Gender-Richtlinie –
- Richtlinie 2004/113/EG
des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der
Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. Nr. L 373 vom
21/12/2004 S. 37–43)
Einige Rechtsexperten vertreten die Auffassung, dass das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz die Vorgaben der vier EG-Richtlinien nur
ungenügend umsetze und daher in einigen Punkten europarechtswidrig sei.
[17]
Entstehung des Gesetzes
Das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geht im Kern auf den Entwurf des so
genannten Antidiskriminierungsgesetzes (ADG) zurück, der bereits in der
15.
Legislaturperiode erarbeitet und beraten wurde,
[18] aber infolge der
Diskontinuität des Gesetzgebungsprozesses nie Gesetz wurde.
Nach den vorgezogenen Bundestagsneuwahlen brachte die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen
im Dezember den ADG-Entwurf erneut in den Bundestag ein. Dieser Entwurf
wurde im Bundestag beraten, fand aber keine parlamentarische Mehrheit.
Anfang Mai 2006 einigten sich SPD, CDU und CSU auf einen neuen
Gesetzesentwurf. Dieser Regierungsentwurf erhielt die Bezeichnung
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, war aber inhaltlich in großen
Teilen mit dem Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes von 2005
identisch.
Wichtige inhaltliche Änderungen des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes zum Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes
sind folgende:
Besonders umstritten ist die Ausklammerung des arbeitsgerichtlichen
Kündigungsrechts
in § 2 Abs. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Dies dürfte
der Umsetzung der EG-Richtlinie zuwiderlaufen und einen Verstoß gegen
Art. 3 Abs. 1 lit. c der
Richtlinie 2000/78/EG
darstellen. Danach gelten die Diskriminierungsverbote (u. a. wegen der
sexuellen Ausrichtung) auch für „die Entlassungsbedingungen“. Unter den
Begriff „Entlassungsbedingungen“ fallen auch Kündigungen.
[19]
In einem Grundsatzurteil im November 2008 entscheidet das
Bundesarbeitsgericht,
dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht nur bei Einstellungen
und während der Berufsausübung gilt, sondern ebenso bei der Kündigung
zu berücksichtigen ist.
[20]
Das Gesetz wurde mit den Stimmen der
CDU,
SPD und der
Grünen beschlossen, abgelehnt wurde es von der
FDP und der
Linkspartei mit jeweils gegensätzlicher Begründung.
Das Gesetz in der politischen Auseinandersetzung
Gegner des Gesetzes
Das Gesetzesvorhaben war und ist scharfer rechtspolitischer Kritik seitens der Wirtschaftsverbände sowie seitens der
FDP[21] ausgesetzt, insbesondere zu folgenden Punkten:
- Einschränkung der Privatautonomie für Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, da sie – anders als private Verbraucher – ihre Kunden gleich behandeln müssen
- Schaffung eines bürokratischen Aufwandes, da durch die
Beweislastumkehr jeder Anbieter von Gütern Beweise dafür vorrätig halten
muss, dass er gerade nicht diskriminiert hat
- schwierige Abgrenzungsfragen zwischen erlaubter und verbotener Ungleichbehandlung
- vermutete Mehrbelastung der Justiz mit einer Vielzahl von Prozessen
- Auferlegung des staatlichen Gleichbehandlungsgebots auf alle
Privaten und damit eine Reduktion marktwirtschaftlicher, nämlich auch
irrationaler, Freiheit. Diese Freiheit unterfällt aber ihrerseits dem
Schutz der Werteordnung des Grundgesetzes als Allgemeine
Handlungsfreiheit, Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung und Schutz
der eigenen religiösen Überzeugung
- einseitiger Schutz nur einiger ausgewählter Gruppen unter
Ausblendung anderer diskriminierungsanfälliger Gruppen wie Kindern und
Familien
Nach einer Umfrage des
BDS
halten 89 Prozent des Mittelstands das Gesetz für „schlecht“.
Weiterhin befürchten einige Kritiker, dass die Situation von Angehörigen
einer Minderheit durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
verschlechtert werden könnte. So könnten beispielsweise zukünftig
Arbeitgeber davon absehen, Angehörige von Minderheiten zu
Vorstellungsgesprächen einzuladen, um falschen oder irrtümlichen
Diskriminierungsvorwürfen aus dem Weg zu gehen.
Seit Einführung des Gesetzes berichten Gegner des Gesetzes über
Personen, die sich nur zum Zwecke der Erlangung von
Schadensersatzansprüchen nach dem AGG bei Unternehmen und Firmen auf
Stellenausschreibungen bewerben, die diskriminierende Inhalte haben.
Nach Berichten
[22]
sollen vermeintliche Bewerber Formulierungen wie „junges Team“
(Altersdiskriminierung) oder „Bewerbung mit Lichtbild“ (Diskriminierung
wegen der Rasse oder Herkunft) als Zeichen einer möglichen
Diskriminierung deuten. Die Bewerber hätten kein Interesse an einer
Anstellung, sondern würden nach einer Absage Rechte aus dem AGG geltend
machen. Diese Praxis nennen die Kritiker AGG-Hopping nach dem
„611a-Hopping“.
§ 611a
des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) a.F. regelte die Gleichbehandlung
von Männern und Frauen bei Stellenausschreibungen, und dasselbe Phänomen
sei bereits bei Einführung des § 611a BGB im Jahr 1980 zu beobachten
gewesen. Erst 25 Jahre später prägte das Arbeitsgericht Potsdam den
Begriff in einem Urteil.
[23]
Andererseits wird zu bedenken gegeben, dass – im Vergleich etwa
zum Grundgesetz und zur EU-Grundrechtecharta – wesentliche Bereiche der
Diskriminierung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht behandelt
werden; so vor allem Diskriminierung aufgrund
sozialer Herkunft
oder wegen Kinderreichtums. Dies führe zu einer
Antidiskriminierungshierarchie, und es bestehe die Gefahr, dass
Benachteiligung aufgrund sozialer Herkunft per Definition nicht als
Diskriminierung wahrgenommen wird. Eine Einbeziehung der sozialen
Herkunft in den Antidiskriminierungsrichtlinien war vorgeschlagen, blieb
aber bei der Einigung zu den Amsterdamer Verträgen außer Betracht.
Allerdings baut das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz keinen
bestehenden Schutz ab. Ein Gesetzentwurf zur Abschaffung der sozialen
Diskriminierung liegt in Deutschland nicht vor, wird aber auf
europäischer Ebene diskutiert.
Laut einer im März 2005 veröffentlichten Allensbachumfrage lehnte
die Mehrheit der Bevölkerung das damals diskutierte
Antidiskriminierungsgesetz am Beispiel einer Klage gegen einen
Wohnungsvermieter ab.
Juristen bemängeln auch technische Schwächen des Gesetzes. Neben
unnötig komplizierten Satzkonstruktionen fällt etwa auf, dass das Gesetz
zwar für den Bereich von Kündigungen keine Anwendung finden soll,
andererseits aber ausdrückliche Regelungen gerade für diesen Bereich
enthält.
Befürworter des Gesetzes
Befürworter kommen vornehmlich aus dem Bereich der Behinderten- und
Frauenverbände, dem
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), dem
DGB, der Partei
Die Linke, der
Grünen und der
Sozialdemokratie.
Sie weisen darauf hin, dass die Beweislasterleichterung – für den
Bereich der geschlechtsbezogenen Diskriminierung – bereits seit 25
Jahren im BGB bestehe. Des Weiteren sei es unsinnig, wenn
Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verboten werde, nicht
aber aufgrund der Behinderung, sexueller Identität oder anderer vom
Gesetzgeber in das AGG aufgenommenen Kriterien. Sie fordern stattdessen
gleichen Schutz für alle.
Sie verweisen darauf, dass es um eine Einbeziehung aller
Kriterien von Artikel 13 des Amsterdamer Vertrages geht. Diese Kriterien
sind für das Arbeitsrecht auch verbindlich von der EU vorgeschrieben.
Insbesondere wird mit dem moralischen Anspruch argumentiert, der
als Grundgedanke hinter dem Gesetzesvorhaben steht. Dieser Anspruch
beruft sich auf den Grundgedanken der christlichen Nächstenliebe, der zu
den Fundamenten der deutschen Gesellschaft gehöre.
Folgen des Gesetzes
Zu
einer Klageflut, vor der Gegner des Gesetzes gewarnt hatten, ist es
nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nicht
gekommen.
[24] Zwar berichtete das Fernsehmagazin
plusminus im Februar 2007 von einem Mann, der bislang mehr als 30 Unternehmen wegen angeblicher Geschlechtsdiskriminierung verklagt hat.
[25]
Die unberechtigte Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts war jedoch
bereits vor Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
gesetzlich verboten.
Ein erster großer Prozess wurde von einer
Versicherungsangestellten angestrengt, die, unterstützt von Anwälten der
Deutschen Gesellschaft für Antidiskriminierungsrecht, von ihrem
Arbeitgeber
R+V Versicherung
einen Schadensersatz von 500.000 Euro wegen eindeutiger
Geschlechtsdiskriminierung und möglicher ethnischer Diskriminierung
fordert.
[26][27]
In 1. Instanz sprach das Gericht für die erfolgte Versetzung der
Angestellten ihr einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 10.818 Euro zu
und erklärte die Versetzung für unwirksam
[28].
Das Landesarbeitsgericht Hamm verurteilte im Jahr 2008 ein
Frachtflugunternehmen zu Schadensersatz in Höhe von 6.450 Euro. Das
Unternehmen hatte eine Stelle als „Flugkapitän“ ausgeschrieben und die
Bewerbung einer Pilotin nicht berücksichtigt. In der Gerichtsverhandlung
konnte das Unternehmen den Anschein der Diskriminierung nicht
widerlegen.
[29]
Die
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) beauftragte die Studie „Gesetzesfolgekosten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)“
[30][31]
welche zu dem Schluss kam, dass 1,73 Mrd. € Kosten durch das AGG für
die deutschen Unternehmen entstanden seien. Diese Studie wurde von der
Antidiskriminierungsstelle durch eine einberufene Kommission überprüft. Dabei kommen die Kommissionsmitglieder
Birger Priddat und
Heinrich Wilms in ihrem Gutachten „Nutzen und Kosten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)“
[32] zu dem Ergebnis, dass die befürchtete Prozesswelle ausgeblieben ist und die angebliche Kostenschwemme auf einer Fiktion beruhe.
[33][34]
Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Union
Mit
der Begründung einer mangelhaften Umsetzung der Richtlinien durch die
Bundesrepublik Deutschland hat die Kommission die ersten Schritte eines
Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet. Die Rügen der Kommission
betreffen unter anderem
§ 2 Abs. 4,
§ 8 Abs. 1 S. 1,
§ 9 Abs. 1,
§ 10 S. 2 Nr. 4 und
§ 15 Abs. 1, 3 und 4 sowie
§ 23 Abs. 1 S. 2 AGG. Ende 2010 wurden die entsprechenden Vertragsverletzungsverfahren eingestellt.
[35]
Ausweitung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
Auf
europäischer Ebene steht die Ausweitung der Antidiskriminierungsgesetze
vom Bereich des Arbeitsplatzes zusätzlich auf den Zugang zu Waren und
Dienstleistungen (wie zum Beispiel Wohnraumvermietung) in der
Diskussion.
Einem Konsens der 27 Länder stehen bislang nur die Länder
Deutschland und Tschechien entgegen. Die Argumentation gegen diesen
Konsens beruft sich darauf, dass auf nationaler Ebene einer
Diskriminierung viel besser entgegengetreten werden könne und dass die
geplante Ausweitung zu einer „Überregulierung“ führe.
[36]
Internationaler Vergleich
Ebenso wie das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beruhen ähnliche Gesetze in den anderen EU-Staaten ebenfalls auf den
EG-Antidiskriminierungsrichtlinien, sind also ähnlich gestaltet, wenn auch zum Teil weitergehend.
In den USA gibt es ein ähnliches Gesetz seit 1964, den
Civil Rights Act.
Dieser verbot von Anfang an die Diskriminierung aufgrund von Rasse,
Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder Herkunft, später kamen noch Alter
und Behinderung hinzu. Der Arbeitgeber hat in den USA darauf zu achten,
dass keine feindliche Umgebung ("hostile work environments") besteht, in
der ein Arbeitnehmer Anfeindungen, Beleidigungen, Erniedrigungen etc.
seitens seiner Vorgesetzten oder anderer Mitarbeiter ausgesetzt ist. Der
Arbeitgeber ist sogar gehalten, im Rahmen beruflicher Aus- und
Fortbildung auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen
hinzuweisen. Dem Diskriminierten wird eine Klage vor Gericht dadurch
erleichtert, dass er nur die Tatsachen glaubhaft machen muss, aus denen
sich eine Diskriminierung ergibt. Der Beklagte muss dann beweisen, dass
sachliche und nicht diskriminierende Gründe für die unterschiedliche
Behandlung vorliegen.
[37]
Die UN hat auf internationaler Ebene
Erklärungen und Resolutionen der Vereinten Nationen über die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität verkündet.
Siehe auch
...
LG
Renate